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Marcel Kollers Bilanz als ÖFB-Teamchef ist sehr positiv: 27 Spiele, 13 Siege, sechs Remis, acht Niederlagen, Torverhältnis 41:29.

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Zu den sechs Heimspielen des ÖFB-Teams in diesem Jahr (viermal Happel-Stadion in Wien, je einmal Klagenfurt und Innsbruck) kamen insgesamt 224.500 Zuschauer, was einen Schnitt von 37.416 Fans bedeutet. Das ist der höchste Wert seit 46 Jahren.

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Wien - Marcel Kollers Nachbetrachtung des 1:2 gegen Brasilien war zugleich eine Jahresbilanz. Die fiel positiv aus. Einzige Einschränkung: "Ich verliere extrem ungern, mit einem Unentschieden, das verdient gewesen wäre, könnte ich besser leben." Der Schweizer kritisierte noch einmal den schottischen Referee William Collum, der sich vor Neymar und Co "gefürchtet und die gelben Karten daheim vergessen hat". Dass dem Tor von David Luiz ein Foul an Stefan Ilsanker vorausgegangen war, sei bitter, aber Geschichte. "Bleibt, dass wir eine sehr gute Leistung gezeigt haben."

Neymar, der erst bei seinem demonstrativ langsamen Abgang kurz vor Abpfiff auffällig wurde, als er sich sogar die Zeit nahm, einem aufs Feld gestürmten Fan ein Autogramm zu schreiben, wurde wunderbar aus dem Spiel genommen. Koller: "Weil wir gut waren." Dem 18-jährigen Fan aus Niederösterreich droht ein Stadionverbot. Die Unterschrift dürfte den Schmerz lindern. Der 54-jährige Teamchef, dem Übermut und Größenwahn ein Gräuel sind, sagte mehrmals "stolz". Beispiele: "Es macht mich stolz, mit diesem Team zu arbeiten." "Die Mannschaft kann stolz sein." "Die Leute können stolz sein."

Kollers Hitliste

2014 gab es acht Spiele - vier Siege, drei Remis und nur eine Niederlage. Österreichs Führung in der Gruppe G der EM-Qualifikation ist komfortabel, vier Punkte plus auf Schweden, fünf auf Russland. "Die Statistik ist positiv und macht viel Mut." In Kollers persönlicher Hitliste liegt Montenegro (1:0) vor Brasilien (1:2) und Schweden (1:1) auf Platz eins. "Vom Fußballerischen her. Punkto Überwindung war es das 1:0 gegen Russland." Schwächster Auftritt sei das 2:1 gegen Tschechien gewesen. "Das geht auf meine Kappe, ich wollte etwas anderes probieren."

Drei Jahre Koller sind drei Jahre Weiterentwicklung. "Konstanz und Geduld zahlen sich aus." Um erfolgreich Fußball zu spielen, bedarf es Selbstvertrauens. "Und das ist wieder gewachsen." Die Mannschaft sei flexibler geworden und imstande, schwerwiegende Ausfälle zu kompensieren. Er bezog sich auf David Alaba und Julian Baumgartlinger. Natürlich sei all das ein langwieriger Prozess gewesen. "Am Anfang war es nicht einfach, die Ideen zu vermitteln. Man predigt gebetsmühlenartig das Verhalten in der Defensive und Offensive runter. Aber irgendwann greift es. Das Team ist klug. Eine Trainingseinheit reichte, um die Ideen gegen Brasilien eins zu eins umzusetzen."

Die Aufsteiger

Aus dem starken Kollektiv ragte zuletzt Abwehrchef Aleksandar Dragovic heraus. Für den 23-Jährigen dürfte Dynamo Kiew eine Nummer zu klein sein, er wäre in einer Topliga sportlich besser aufgehoben. Über das Finanzielle spricht man im Fußball selten. Koller: "Er hat zu seiner Aggressivität, Präsenz und Zweikampfstärke Ruhe und Klarheit bekommen, ist aber auf dem Boden geblieben." Auch Marko Arnautovic habe sich extrem gesteigert. "Er hat gelernt, präsent zu sein."

Mittelfeldmotor Zlatko Junuzovic sieht im "einmaligen Teamgeist" die Hauptursache für den Erfolg. "Jeder Einzelne arbeitet an sich. Wir haben ein gesundes Selbstvertrauen, machen die Big Points." Koller sagte aber auch, um den Spaß ein bisserl zu bremsen, dass Luft nach oben durchaus vorhanden sei. "Wir müssen die Laufwege, die Dreckswege in der Defensive verbessern. Ich wäre froh, wenn ich nicht reinrufen müsste, dass der eine oder andere Spieler fünf bis zehn Meter mehr machen muss. Und beim Torabschluss brauchen wir mehr Ruhe und Effizienz." Bis 27. März, da wird in Vaduz die EM-Quali gegen Liechtenstein fortgesetzt, ist Ruhe. Vier Tage später wird in Wien in Freundschaft gegen Bosnien-Herzegowina getestet.

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Koller wird nun ein paar Tage abschalten. Den Spielern hat er keine Hausaufgaben mitgegeben. "Sie sind froh, wenn sie eine Zeit lang nichts von mir hören. Aber sie freuen sich jetzt schon auf ein Wiedersehen." Junuzovic: "Wir denken weiter von Spiel zu Spiel."

Zu den sechs Heimspielen des ÖFB-Teams in diesem Jahr (viermal Happel-Stadion in Wien, je einmal Klagenfurt und Innsbruck) kamen insgesamt 224.500 Zuschauer, was einen Schnitt von 37.416 Fans bedeutet. Das ist der höchste Wert seit 46 Jahren. (Christian Hackl, DER STANDARD, 20.11.2014)