Ende 2013 befanden sich knapp zwei Prozent aller Minderjährigen in Österreich in einer Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe. Das sind rund 40.000 junge Menschen. Die Zahlen haben sich in den vergangenen Jahren auf diesem Niveau eingependelt. Für jeden und jede Einzelne bedeutet diese Situation eine hohe Chance, von Traumatisierungen betroffen zu sein, und in beinahe jedem Fall ein großes Risiko von Benachteiligung in den Bereichen Bildung und Beruf.
Österreich ist ein demokratisches, reiches Land - und trotzdem gibt es auch bei uns Kinder und Jugendliche, die massiv von sozialer Ungleichheit betroffen sind. Für diese Benachteiligungen gibt es verschiedene Gründe: Es sind zum einen Unschärfen im Kinder- und Jugendhilfegesetz und zum anderen immer knapper werdende finanzielle Ressourcen.
So bieten die Kinder- und Jugendhilfegesetze keinen klaren Rahmen für die Verlängerung der Maßnahmen für junge Menschen, die über das 18. Lebensjahr hinaus Betreuung brauchen. Die Gewährung von Hilfen für junge Erwachsene hängt von verschiedenen Faktoren ab. So können der Wohnort, engagierte Sozialarbeiter oder geschickte Tagsatzverhandlungen die Gewährung der Kinder- und Jugendhilfeleistung ermöglichen. Oder eben, sofern diese Faktoren nicht vorhanden sind, auch verhindern - in diesem Fall hat der junge Erwachsene Pech gehabt.
Damit junge Erwachsene auch die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, hat SOS-Kinderdorf eine Petition zu 18-plus-Hilfe gestartet: alle Stimmen für ein Recht auf Hilfe für über 18-Jährige. Denn jeder junge Mensch soll die Hilfe bekommen, die er braucht!
Die Budgets zur Umsetzung der Kinder- und Jugendhilfe sind Ländersache. Ich ersuche den Nationalrat trotzdem, sich nicht zurückzulehnen. Man denke bitte an das Corporate Parenting - die gemeinsame Elternschaft für alle Kinder und Jugendlichen. Von einer durchgehenden Haltung und Bereitschaft, allen Kindern so zu helfen, als wären sie unsere eigenen, sind wir in Österreich weit entfernt. Diese Kinder müssen in kurzer Zeit Krisen überwinden, Entwicklungsrückstände aufholen und lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.
Zudem ist die Prävention in Österreich nur marginal vorhanden. Und es fehlt das Geld für zusätzlich notwendiges Personal, wie zum Beispiel Lerntrainer oder Therapeuten. Konzepte liegen in den Schubladen, aber es fehlt an den finanziellen Ressourcen, sie auch umzusetzen. Zu eng kalkulierte Tagsätze und ständiges Verhandeln um ausreichende Hilfegewährung erschweren es zusätzlich, eine qualitätsvolle Betreuung zu gewährleisten.
Der moralische Zustand einer Gesellschaft zeigt sich auch daran, wie wir mit den Kindern und jungen Menschen umgehen, die unsere Hilfe am meisten brauchen. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten, dass wir Erwachsene Österreicherinnen und Österreicher uns für alle Kinder verantwortlich fühlen - so als wären sie unsere eigenen. (Elisabeth Hauser, DER STANDARD, 20.11.2014)