Anstasia Magasowa - die Krim - verlassen. Heute lebt die Journalismusstudentin in Lwiw, im Westen der Ukraine.

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Bewohner der Krim schwenken die russische Fahne während der Live-Übertragung einer Ansprache Putins.

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Lwiw - Traurig sei sie gewesen und auch ein bisschen ängstlich, erinnert sich Anastasia Magasowa an den März, als plötzlich russische Soldaten durch die Straßen Simferopols zogen.

Magasowa wurde in der Hauptstadt der Halbinsel Krim geboren, damals noch Teil der Sowjetunion. "Die Krim war schon immer ein Sonderfall. 85 Prozent der Bevölkerung sprechen Russisch, und viele Leute sehnen sich nach dieser vergangenen Zeit", erzählt die 25-Jährige. Ihre Entscheidung, Ukrainische Philologie zu studieren verstanden ihre Eltern nicht.

Aber Magasowa war das egal. Schon im Kindesalter faszinierte sie die ukrainische Sprache und Kultur - auf der russisch dominierten Krim eine Besonderheit. Nach ihrem Studienabschluss begann sie für einige Zeit am Institut an der Uni in Simferopol als Ukrainischlehrerin zu arbeiten, bevor sie ein Journalismusstudium begann.

Zuerst wurde Fernsehsender abgestellt

Ihren ehemaligen Arbeitsplatz gibt es seit wenigen Monaten nicht mehr. Mit dem Referendum über den Status der Krim am 16. März und deren theoretischem Russland-Beitritt wurde das Ukrainische in kürzester Zeit völlig von der Halbinsel verbannt. "Als Erstes haben sie die ukrainischen Fernsehsender abgestellt." Die Schließung des Instituts wenige Tage danach wunderte sie deshalb nicht weiter. Ehemalige Kollegen des Instituts verloren die Jobs - "Die meisten sind weggegangen", sagt Magasowa.

Als Begründung werde der Schutz der russischsprachigen Bevölkerung vor Repressalien genannt. "Das ist absurd. Eigentlich müsste man hier die ukrainische Sprache schützen."

Als am 16. März eine große Mehrheit für den Beitritt zu Russland stimmte, freute sich Magasowas Familie über den positiven Ausgang des - international nicht anerkannten - Referendums.

Flüchtling im eigenen Land

Für Magasowa stand fest: Sie will und muss bald ihre Heimat verlassen, die Atmosphäre spitzte sich zu. Von Beginn an an den Euromaidan-Demonstrationen in Kiew interessiert, schrieb Magasowa Artikel darüber. Auf der Krim hatten viele Bewohner nur Kopfschütteln für die Demonstranten übrig. Zu Beginn ging es friedlich zu.

Mit der Zeit kippte die Stimmung. Magasowa wurde auf der Straße beschimpft, wenn sie in traditionellen ukrainischen Kleidern unterwegs war - "einmal schrie mir eine alte Frau sogar nach, ich sei eine Faschistin".

Magasowa war entsetzt. "Als Journalistin mit kritischer Einstellung hätte ich nicht länger bleiben können." Anfang April packte sie ihre Sachen und zog nach Lwiw, in den Westen der Ukraine, wo sie den Master in Journalismus im Februar abschließen wird.

Danach möchte sie ein Doktorat anhängen und Journalismus in Theorie und Praxis erforschen.

Eine neue Mauer in Europa

Alle drei Monate zieht es sie zurück zu ihren Eltern und zu ihrem Bruder. Freunde der 25-Jährigen sind kaum mehr dort, auch sie sind im Frühjahr weggezogen.

Ihre Heimat ist ihr mittlerweile fremd geworden: "An der Grenze muss ich mich in eine lange Schlange stellen, um einen Stempel im Pass zu bekommen, und auf der Krim zahlt man jetzt sogar mit der russischen Währung."

Zu Hause versucht sie möglichst nicht über Politik zu sprechen. "Wir streiten sonst nur", sagt Magasowa. Oft sitze sie einfach ein paar Stunden mit ihrer Mutter vor dem Fernseher.

Anfang November war die Studentin zum Jubiläum des Mauerfalls in Berlin. Sie kam nachdenklich zurück in die Ukraine: "Ich fühle mich, als ob es eine unsichtbare Mauer in meinem Land gibt." Manchmal könne sie sich sogar vorstellen, dass eine echte gebaut wird. (Lara Hagen, DER STANDARD, 20.11.2014)