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IBM startet einen neuen E-Mail-Dienst.

Foto: AP Photo/Toby Talbot

Für Einzelpersonen ist IBM Verse kostenlos.

Screenshot: YouTube/IBM

Der Technologiekonzern International Business Machines ( IBM ) startet eine neue Offensive gegen Google und andere Anbieter von E-Mail-Diensten. "Big Blue" bringt einen webbasierten Dienst auf den Markt, und hat dabei – unüblich für den Konzern - direkt den Endkunden im Visier.

Der Konzern stellt am Dienstag IBM Verse vor, einen E-Mail-Dienst, an den andere Funktionen für die Zusammenarbeit im Büro und für soziale Medien angeschlossen sind. Das Unternehmen will die cloudbasierte Software Einzelpersonen und kleineren Unternehmen kostenlos anbieten und hofft, auch eine gewerbliche Version kostenpflichtig zu verkaufen. Sich direkt an den Endkunden zu wenden, hat IBM seit dem Verkauf des PC-Geschäfts 2005 nur sehr selten gemacht.

"Freemium"

Die Verbreitung als "Freemium"-Produkt - also die kostenlose Abgabe einer Basisversion und der Verkauf einer kostenpflichtigen Version mit mehr Funktionen an Geschäftskunden – ist bei Anbietern von Online-Software üblich. Das ist es auch bei Google, das von Gmail und anderen Online-Anwendungen sowohl kostenlose als auch eine kostenpflichtige Versionen für Geschäftskunden bereithält. Diese Strategie sei sehr wichtig, sagte Jeff Schick, General Manager vom IBM-Geschäft mit sogenannten "Social Solutions". Man wolle sich in diese Richtung öffnen.

IBM-Chefin Virginia Rometty hatte eine ganze Reihe neuer Taktiken auf den Weg gebracht, um die Erlöse des Konzerns anzuschieben, der es seit zehn Quartalen nicht geschafft hat, seinen Umsatz zu steigern. So hat sie etwa eine Allianz mitTwitter geschlossen, um mithilfe von Tweets Lösungen für geschäftliche Probleme anbieten zu können, und einen Pakt mitApple geschmiedet zur Entwicklung von Business-Apps und zum Verkauf von iPhones und iPads an die Geschäftskunden von IBM.

IBM ist im E-Mail-Geschäft kein Neuling. E-Mails spielen bei dem Unternehmen seit der Übernahme von Lotus Development 1995 eine prominente Rolle. Durch die Lotus-Software ist IBM zweiter hinter Microsoft als Anbieter von E-Mails für Geschäftskunden, wie aus den Daten des Marktforschers IDC hervorgeht.

Herausforderer der Pioniere im E-Mail-Markt sind Google, Yahoo und andere, die ihre Dienste über einen Webbrowser anbieten und nicht über eine auf PCs fest installierte E-Mail-Software.

Flut der Mails soll gebändigt werden

IBM sehe Verse als eine Alternative zu diesen Angeboten, sagte Schick. Der Konzern veröffentlichte für die Bezahl-Version keine Preise, Schick sagte jedoch, das Einstiegsniveau sei "absolut aggressiv" im Blick auf Google oder Microsoft. Sprecher der beiden Konzerne wollten die Ankündigung von IBM nicht kommentieren.

In einem Seitenhieb auf Google teilte IBM mit, dass nicht geplant sei, Werbeanzeigen zu schalten und dafür die E-Mail-Postfächer zu scannen. Das ist eine Praxis, die viele gewerbliche Nutzer im Hinblick auf ihre Privatsphäre besorgt. Googles Bezahl-Version von Gmail kommt zwar ohne Anzeigen und Scans von Nutzer-E-Mails aus, die kostenlose Gmail-Version nicht.

In einem breiteren Ansatz hofft IBM, den allgemeinen Klagen über E-Mails Abhilfe zu schaffen, etwa indem die Flut unwichtiger Nachrichten, die in den Postfächern der Nutzer eintrudeln, besser gefiltert wird.

IBM Social Business

Verse - ursprünglicher Codename: MailNext - versucht, dem Bombardement Herr zu werden, indem es sich auf die wichtigsten Manager und Teamkollegen fokussiert, mit denen die Nutzer kommunizieren müssen. Diese Kontakte werden mit kleinen Bildern am oberen Bildschirmrand dargestellt. Die Nutzer haben so einen schnellen Einblick in die Positionsbezeichnungen der Mitarbeiter in ihrem Unternehmen, und an wen diese Kontakte berichten. Das Ganze kann in Diagrammform angezeigt werden.

Das Programm stellt außerdem Beiträge aus E-Mails, Messengerdiensten, Kalendern, internen Blogs und andere Quellen zusammen, womit die Kommunikation mit einem bestimmten Kollegen besser im Auge behalten werden kann. Die Nutzer können Beiträge zu unwichtigen Themen - wie Glückwünsche an Teammitglieder - einfach ausblenden, um die Ablenkung zu verringern.

IBM hat einen eingebauten Vorteil

IBM hebt noch andere Funktionen hervor wie die "facettierte Suche", die multiple Suchbegriffe nutzt, um feinere Ergebnisse zu liefern. Kunden werden die Möglichkeit haben, ein Feature einzurichten, mit dem sie Fragen an das IBM-Analysetool Watson stellen können, woraufhin sie entsprechend geordnete Antworten erhalten.

IBM Verse wird im Webbrowser laufen und wird in Apps für Smartphones und Tablets integriert, wie IBM-Manager Schick sagte.

Analysten merken an, dass die Rivalen ihre E-Mail-Produkte aktualisiert haben, auch Microsoft mit dem Online-Dienst Office 365. Darüber hinaus ist die Bürokommunikation ein Feld, in dem immer mehr Anbieter auftauchen. So wird erwartet, dass auchFacebook eine Business-Anwendung mit dem Namen "Facebook at Work" starten wird, wie eine informierte Person berichtete. Dazu gibt es entsprechende Start-ups wie Slack Technologies, die Anklang bei den Kunden finden.

IBM hat jedoch einen eingebauten Vorteil: Die Beziehungen zu einer großen Anzahl Notes-Nutzer. Mark Calleran, Chief Information Officer des internationalen Büros der Heilsarmee in London, nutzt Notes und hat das neue Produkt ausprobiert.

Verse sei eine "aufregende neue Art und Weise die Kommunikation abzuwickeln", sagte Calleran. Verse helfe den Nutzern, Inhalte zu finden, zu teilen und zu sichern, und könne darüber hinaus Kunden wie der Heilsarmee helfen, von Notes, das auf den eigenen Computern läuft, wegzukommen. "Das eröffnet uns eine Möglichkeit, in die Cloud zu kommen", sagte er.

An der Spitze der Entstehung von Verse stand ein neues IBM-Designstudio im texanischen Austin, das breite Studien durchgeführt hat, um zu verstehen, wie Kunden E-Mails nutzen.

Verse sollte dem Konzern helfen, kleine und mittlere Unternehmen zu erreichen, die ansonsten lieber Gmail oder Office 365 gewählt hätten, sagte Alan Lepofsky vom Marktforscher Constellation Research, der IBM beraten hat. Genauso wichtig sei aber die Entscheidung von IBM, neue Strategien auszuprobieren, etwa gleichzeitig auf Einzelpersonen als auch auf Technikchefs von Unternehmen abzuzielen. "Das ist nicht das IBM von vor einem Jahrzehnt", sagte Lepofsky. (Don Clark, Rachel Emma Silverman/wsj.de, derStandard.at, 19.11.2014)