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Also doch wieder zurück ins stationäre Geschäft und Mode dort anprobieren? Kaum ein Onlineshop setzt in Österreich derzeit mehr als 100.000 Euro um. Alles andere sei geflunkert, meinen Experten.

Foto: Reuters / Giorgio Perottin

Wien - Es ist ein Tummelplatz für Experten und Berater, Prognosen, Studien und bunte Zahlenspiele: Kein Geschäft beflügelt die Fantasie des Einzelhandels mehr als jenes im Internet. Was da an Zahlen herumgeistert, habe er noch nie erlebt, seufzt Peter Schnedlitz, Handelsexperte an der Wiener Wirtschaftsuniversität, "so viel Jägerlatein". Bewahrheite sich das alles, müsste sich der Himmel über Wien vor lauter Zustelldrohnen bald verdunkeln und der Postler zum Milchmann werden.

Da wurde Händlern, die auf Onlineshops verzichten, vor wenigen Jahren noch der Tod vorausgesagt - von denselben Marktforschern, die jetzt das Ende von 90 Prozent ebendieser Plattformen nahen sehen. Bisher gibt dazu keine seriösen Statistiken, meint Schnedlitz nach eingehender Prüfung der Sache. Was ihn, der von der Wirtschaftskammer mit einer Analyse des Modehandels im Web beauftragt wurde, "Blut schwitzen ließ".

Schnedlitz wählte den Weg der Interviews mit Unternehmen von Lidl über Billa, Mango, Otto bis zu Harrods, Swatch und Apple. Sein Resümee: The winner takes it all. Wobei die Sieger nicht an den anhaltend flauen Erträgen, sondern an Umsätzen gemessen werden. Für kleine Betriebe bleibt aus seiner Sicht wenig über. "Das ist keine österreichische Erfolgsstory."

Fehlende Logistik

Klar dürfe keiner das Web ignorieren. Der Onlinehandel sei aber ein Match der Großen und sicher kein Rettungsanker für schwache Händler. Allein schon die fehlende Logistik hindere einen daran, so zu agieren, als wäre man Amazon. "Kommen zwei von drei Anzügen zurück, brauchen Kleine ja fast psychologische Betreuung."

Von boomenden Umsätzen ist in seiner Studie keine Rede. Die hundert größten Webshops setzten demnach im Vorjahr 1,6 Milliarden Euro netto um. Unter den zehn umsatzstärksten Internetläden hierzulande finden sich gerade einmal zwei österreichische: die beiden Computerhändler E-Tec und Ditech. Letzterer endete heuer im Frühjahr in der Insolvenz, E-Tec erwarb die Markenrechte.

Kaum ein Online-Shop komme auf mehr als eine Million Euro an Umsatz. In der Regel dümpeln sie bei netto 100.000 Euro. "Alles andere ist geflunkert", sagt Schnedlitz. Zum Vergleich: Eine gute stationäre Lebensmittelfiliale fährt Umsätze von bis zu sieben Millionen Euro ein. Die Quelle schaffte einst 200 Millionen. "Und tun wir nicht so, als ob es nie Versandhändler gab. Diese hatten immer zehn, 15 Prozent Marktanteil."

Reich werden im Internet nach wie vor freilich auch die Platzhirsche nicht. Zalando hat es zuletzt operativ zwar in die schwarzen Zahlen geschafft, schreibt unterm Strich aber immer noch Verluste. Amazon verzehnfachte den Fehlbetrag im dritten Quartal auf 345 Millionen Euro. Aus dem Geschäft mit Nahrungsmitteln überlegt der Onlineriese nun den Rückzug.

Wenige Impulse, viele Retouren

Das Internet verleite zu wenig zu Impulskäufen, sagt Schnedlitz. Vor allem aber müsse die Branche die hohe Retourquote in den Griff bekommen, "sonst hat sie keine Chance, den Break-even zu erreichen." Im Web-Modehandel kehrt die Hälfte der Textilien zum Absender zurück, bei Schuhen sind es bis zu 70 Prozent, bei gewichtiger Weißware wie Waschmaschinen satte zehn Prozent. Zum Vergleich: Der Anteil an stationär gekaufter und für unpassend befundener Bekleidung liegt laut Jutta Pemsel, Textilhandelsobfrau der WKÖ, bei lediglich einem Prozent. Sie spricht von 15 Prozent des Geschäfts im Modebereich, das sich aktuell im Internet abspielt – und hofft auf ein Nebeneinander von off- und online. "Wir wollen auch österreichische Onlineshops."

Für Schnedlitz ist eine Homepage angesichts der hohen Werbekosten beim überregionalen Auftritt kein Weg zum großen Erfolg. Sie diene jedoch als Visitenkarte und Schaufenster. Sofern sie halt Nutzen stifte. "Keiner fragt sich, wie sieht der Schuhhändler Meier heute aus." Für Kleine biete sich das Internet für Abverkäufe oder spezielle Produktlinien an.

Coolness ist gefragt

Was Facebook betrifft, rät er Betrieben zur Coolness. "Sie werden nicht sterben, wenn sie weniger als 1000 Freunde haben." Damit es einem wirklich was bringe, müsse man mittlerweile wohl die Niagarafälle durchtauchen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 19.11.2014)