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Triumphus: The saga continues.

Foto: APA/Neubauer

Wien – Teamchef Marcel Koller mahnte Ehrlichkeit ein. Denn das 1:0 in der EM-Qualifikation gegen Russland hat Spuren hinterlassen. Die österreichische Fußballnationalmannschaft ist ein kleines Lazarett, einige Spieler wurden am Samstagabend physisch beschädigt. "Sie haben ordentlich Schläge abbekommen." Die Innenverteidiger Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger machen einen geschundenen Eindruck, Florian Klein und Christoph Leitgeb sind auch schon schmerzfreier und somit lustiger gewesen. Zlatko Junuzovic hat einen größeren Knoten in der Wade, will ihn "rauslaufen".

Koller wird über die Aufstellung kurzfristig entscheiden. "Jeder soll mir in die Augen schauen und sagen, ob es Sinn macht. Sie dürfen nicht auf das Erlebnis Brasilien schauen." Der verletzte Julian Baumgartlinger ist von Blickkontakten befreit, der Mainz-Legionär ist abgereist. Er kann sich das Match daheim im Fernsehen anschauen, die Auswahl ist groß, TV-Stationen aus 160 Ländern haben Bilder bestellt. Das rege Interesse gilt eher Brasilien, dem fünffachen Weltmeister.

Nicht billig

Der lässt sich den Auftritt im Happel-Stadion fürstlich bezahlen. Der ÖFB verrät die Summe nicht, eine Million Dollar dürfte das Minimum gewesen sein. Da die Hütte ausverkauft ist (48.500), gibt es im Unterschied zum restlichen und wahren Wirtschaftsleben keinen Verlierer, keinen Personalabbau, keine Insolvenz.

Die Selecao ist schwer zu favorisieren. Die Quote für einen Sieg liegt bei bescheidenen 1,4, eine Niederlage wäre grandiose 7,5 wert. Koller irritiert die Einschätzung der Buchmacher kaum: "Denn so groß ist der Unterschied nicht." Denkt er an Brasilien, fallen ihm "Samba, Meer, lockere Menschen, Freude" ein. Und Fußball. Kapitän Christian Fuchs gelobt, "dass wir nicht vor Ehrfurcht erstarren". Natürlich bestehe der Gegner aus lauter "Weltklassefußballern. Neymar ist mehr als Weltklasse." Junuzovic will, sofern der Knoten platzt, zeigen, "dass wir mithalten können". Das Match sei Freude pur, ein Schmankerl, ein Traum, ein Genuss für und ein Dankeschön an die Fans. Man dürfe sich nicht kleinmachen. Mit Bremen spiele er, Junuzovic, Woche für Woche gegen Spieler von absoluter Weltklasse. "Halt nicht gegen Neymar." Koller lehnt es ab, die Partie als Unterrichtsfach zu bezeichnen. "Es geht nicht ums Lernen. Wir haben Selbstvertrauen, wollen nicht zuschauen, sondern Nadelstiche setzen."

Nicht zerstritten

Neymar tauchte am Montag kurz vor dem Abschlusstraining in der Mixed-Zone auf. Er hatte eine Haube auf, lächelte, nahm Stellung zum brasilianischen Topthema. Mehr als 70 Reporter, bewaffnet mit Kameras und Mikrofonen, rempelten sich in seine Nähe. Thiago Silva, sein Vorgänger als Kapitän, hatte am Sonntag gesagt, er sei enttäuscht, wie man mit ihm umgegangen sei. Teamchef Carlos Dunga habe ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Neymar beruhigte die Nation. "Es hat eine Aussprache gegeben. Wir sind zwei Männer und Freunde, lassen uns wegen einer Schleife nicht auseinanderdividieren." Er, Neymar, habe das Amt nicht angestrebt. "Ich wurde bestimmt." Möglicherweise sei Thiagos Problem, "dass er seinen Stammplatz verloren hat. Künftig sollen die Dinge intern geklärt werden. Man darf aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Wir sind eine tolle Gruppe."

"Gern ein Tor schießen"

Über Österreich hat der 22-Jährige wenig gesagt. "Ich fühle mich sehr gut auf dem Platz. Ich würde gern zumindest ein Tor schießen." Das klingt bedrohlich, Neymar hat in 59 Spielen 42-mal genetzt. Dunga bezeichnete das ÖFB-Team als "stark".

Fuchs hat als Kind von Rivaldo geschwärmt. "Ein Freistoßspezialist wie ich." Er lachte am Tag vor der Abschlussfeier. Österreich ist seit neun Partien ungeschlagen, sechs Siege, drei Remis. Jedes andere Land hat 2014 zumindest einmal verloren. Fuchs: "Schlägt uns Brasilien nicht, wäre das die Krönung. Ein traumhaftes Jahr war es in jedem Fall. Ganz ehrlich." (Christian Hackl, DER STANDARD, 18.11.2014)