Die Wahl von Klaus Johannis zum Präsidenten Rumäniens ist mehr als das überraschende Ergebnis eines umkämpften Urnengangs. Sie stellt eine tiefe Zäsur in dem nach Polen bevölkerungsreichsten neuen Mitgliedsland der EU dar. Sie öffnet die Chance, dass 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus auch in Südosteuropa der wirtschaftliche und politische Anschluss an den Westen gefunden wird. Und es ist die erste gute Nachricht aus einer Region, die zuletzt meist mit Krisen, Krieg und Korruption aufgewartet hat.

Rumänien war schon immer ein Sonderfall. Dort fand 1989 die einzige blutige Revolution im Ostblock statt, die allerdings die alte Machtstruktur des kommunistischen Apparats und der Securitate nicht angetastet hat. Und trotz mehrerer Regierungswechsel zwischen linken und konservativen Parteien haben die Eliten von damals immer noch das Sagen - und nützen dies auch finanziell schamlos aus.

Niemand vertritt diese korrupten Seilschaften besser als der sozialdemokratische Premier Victor Ponta, gerissener Ziehsohn des inzwischen mehrfach verurteilten exkommunistischen Strippenziehers Adrian Nastase, der seit 1989 im Zentrum der rumänischen Politik stand.

Die prominenteste Alternative zu dieser Clique bot bisher der konservative Präsident Traian Basescu. Der hat allerdings durch seine Sprunghaftigkeit und den Hang zum Populismus nie die notwendige Glaubwürdigkeit erworben, um jenem Rechtsstaat, der als Voraussetzung für eine funktionierende Marktwirtschaft gilt, zum Durchbruch zu verhelfen.

Genau das ist Johannis' Stärke: ein sachorientierter, kompetenter Bürgermeister ohne Anzeichen der Korruption, der ganz den Vorstellungen der europäischen Partner, der EU-Kommission und westlicher Investoren entspricht. Seine deutsche Abstammung ist auch ein politisches Symbol: Er ist ein Politiker vom Schlag eines Donald Tusk in Polen oder jener Technokraten in den baltischen Staaten, die ihren Ländern Wirtschaftswachstum und politische Reife gebracht haben.

Ob Johannis in den kommenden Jahren das politische Geschick und die Durchsetzungskraft entwickeln wird, um Rumänien wirklich auf einen Kurs der Reformen, Sauberkeit und Transparenz zu führen, ist offen. Vor allem bleibt die Mehrheit im Parlament in der Hand der alten Kräfte. Aber die Tatsache, dass sich eine so klare Mehrheit für den hölzernen Provinzpolitiker mit fremder Muttersprache und gegen den aalglatten Premier entschieden hat, zeigt, dass die Rumänen nach 25 Jahren der Fehlstarts endlich in Europa ankommen wollen.

Johannis ist auch ein Gegenentwurf zu Viktor Orbán, dem starken Mann im Nachbarland Ungarn, der sein Land gerade aus Europa wegführt in Richtung eines illiberalen Nationalismus vom Schlage Wladimir Putins. Und er kann dadurch auch eine Rolle in der Zukunft der Ukraine spielen. Denn in Regionen, die sich zwischen Brüssel und Moskau entscheiden müssen, fragen sich die Bürger, ob das europäisch-westliche Modell wirklich jenen Wohlstand bringt, der ihnen so gerne in Aussicht gestellt wird.

Rumänien ist das größte jener Länder, in denen dieses Versprechen bisher unerfüllt geblieben ist. Damit sich das nun ändert, braucht Johannis tatkräftige Unterstützung von seinen EU-Partnern. Vor allem aber liegt es an den Rumänen selbst, den am Sonntag eingeschlagenen Weg zu vollenden. (Eric Frey, DER STANDARD, 18.11.2014)