Wien – In den vergangenen zwei Jahren ist Wien um rund 50.000 Menschen gewachsen. Bis 2025 steht die Stadt vor der Herausforderung, Wohnfläche für eine zusätzliche Einwohnerzahl in der Größe von Graz zu schaffen. "Mehr Einwohner schrecken mich nicht, wenn die Stadtfläche intelligenter genutzt wird", sagt der Grüne Planungssprecher Christoph Chorherr am Montag bei einer Pressekonferenz gegen Bodenspekulation. Er kritisiert, dass Grundstücke zu teuer für sozialen Wohnbau werden. "Es darf keine Zustände wie in Paris, London oder München geben, wo man mit einem Durchschnittseinkommen nicht mehr in der Stadt leben kann", fordert er. Im Zeitraum von 2000 bis 2010 stiegen etwa die Altbaumieten um 66,6 Prozent.
Enteignung nicht aktuell
Sinnvoll sei laut Chorherr, dass die Gemeinde Wien Vorkaufsrecht hat. Das bedeutet, falls ein Anbieter einen zu hohen Preis ansetzt, könnte gerichtlich eine Verbilligung angestrebt werden. Diese Möglichkeit ist im Bodenbeschaffungsgesetz aus dem Jahre 1974 verankert, wurde jedoch noch nie angewendet. Chorherr nennt ein Beispiel für Bodenspekulation aus dem 23. Wiener Gemeindebezirk: Rund 30.000 Quadratmeter eines Betriebsareals wurden versteigert. Der Kaufpreis betrug 16 Millionen Euro. Sozialer Wohnbau sei bei diesem Preis unmöglich, es entstehen teure Eigentumswohnungen.
Durch das Bodenbeschaffungsgesetz ist auch Enteignung möglich. Chorherr betonte jedoch, dass es sich dabei um keine "konkrete Forderung der Grünen zum aktuellen Zeitpunkt" handle.
Ein weiterer Vorschlag der Grünen ist die "maßvolle" Nachverdichtung bei Gemeindebauten. Durch Aufstockung von Häusern, Bebauung von Tiefgaragen oder Abstellplätzen kann Wohnraum ohne neue Grundkosten entstehen. Weiteres soll die Stadt ihre Grundstücke nicht verkaufen und langfristig ihr Eigentum für sozialen Wohnbau zur Verfügung stellen. "Es ist Zeit Signale zu setzen, da der freie Markt die Herausforderung des leistbaren Wohnens nicht löst", sagt Chorherr.
ÖVP: "Kommunismus"
ÖVP-Stadtrat Manfred Juraczka reagierte in einer Aussendung mit Kritik: "Wo Grüne Wien draufsteht, ist Kommunismus drinnen." Enteignung stehe seiner Meinung nach klar auf Chorherrs Agenda. Eine Aushebelung der freien Marktwirtschaft löse jedoch die Probleme am Wohnungsmarkt nicht, sagt er: "Ohne private Investoren wird in dieser Stadt keine einzige Wohnung mehr gebaut."
Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig zeigte sich verwundert: "Die Vorschläge sind entweder nicht praktikabel oder bereits gelebte Praxis." Es gebe noch 2,2 Millionen Quadratmeter Fläche für geförderten Wohnbau. (DER STANDARD, 18.11.2014)