Wien – "Mehr Polizisten auf der Straße" lautete ein Schlagwort der diversen Polizeireformen in den vergangenen Jahren. Zumindest in der Nacht des 1. Mai wurde dieses Versprechen umgesetzt: 14 Polizisten, darunter vier Wega-Beamte, nahmen einen Fahrraddieb fest, der nun vor Gericht steht.

Bei Adam J. von einem getrübten Vorleben zu sprechen ist schon untertrieben. Zwischen 1992 und 2007 hat er sieben Vorstrafen ausgefasst, elfeinhalb Jahre seines Lebens war er im Gefängnis.

Das konnte man bei der Polizei natürlich nicht wissen, als eine Anrainerin die Notrufnummer wählte und meldete, dass sich ein Mann im Innenhof des Wohnhauses an Fahrrädern zu schaffen machte.

Die Wega im Einsatz

Die Meldung ging kurz nach Mitternacht über den Polizeifunk hinaus und löste offenbar hektische Betriebsamkeit aus. Gleich zwei Sektorwägen der Spezialeinheit Wega rückten an, weiters nahe U-Bahn-Streifen und zusätzlich normale Streifenwagen.

Zunächst ließ sich J. widerstandslos festnehmen, was dann geschah, darüber gehen die Darstellungen auseinander.

Staatsanwältin Tatiana Spitzer-Edl wirft ihm neben dem gewerbsmäßigen Diebstahl vor, er habe Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet und versucht, einen Beamten mit den Füßen zu treten.

Stimmt nicht, sagt der 46-jährige Angeklagte. Den Diebstahl gesteht er, gleichzeitig beschuldigt er die Exekutive: Bei der Festnahme sei er gewürgt worden und habe zwei Kopfstöße erhalten. Auf der Polizeiinspektion habe er zur Begrüßung einen Faustschlag ins Gesicht bekommen, was eine blutende Wunde ausgelöst habe.

Alle Beamte als Zeugen

Dass das Schöffengericht unter Vorsitz von Minou Aigner diese Behauptung nicht ernst nimmt, kann man definitiv ausschließen. Alle 14 Beamte des Einsatzes plus einer aus der Polizeiinspektion sind als Zeugen geladen.

Alle bestreiten, dass es irgendeine Art von Übergriff gegeben habe. Im Gegenteil: "Es war für mich ein Einsatz wie aus dem Bilderbuch, sagt einer." Der Verdächtige habe sich zunächst festnehmen lassen, sei dann laut geworden. Daraufhin sei er fixiert und ihm die Handfesseln angelegt worden. Er trat nach hinten aus, ein Polizist brachte ihn zu Boden, ehe er zum "Frosch", dem Arrestantenwagen, gebracht wurde.

In den Details gehen die Aussagen allerdings auseinander: Die einen sagen, J. habe einen betrunkenen Eindruck gemacht, auf die anderen wirkte er nüchtern. Wo genau welcher Amtshandlungsschritt gesetzt wurde, lässt sich auch nicht mehr zweifelsfrei feststellen.

Polnischstämmiger Polizist

Ein mögliches Motiv für die Aussagen des Angeklagten liefert ein Beamter, der ebenso in Polen geboren ist. Als er auf dem Boden lag, soll J. in seiner Muttersprache nämlich "Ihr Hurensöhne, euch werd' ich's zeigen" gebrüllt haben.

Der von Robert Pohle verteidigte Angeklagte bleibt dabei: Er habe nicht geschimpft, er habe nicht getreten, er sei verletzt worden und die Polizisten würden sich gegenseitig decken.

Was vielleicht noch denkbar wäre. Nur: J. wurde an diesem Abend zweimal von von der Polizei alarmierten Rettungskräften untersucht. Und die haben weder eine blutende Verletzung diagnostiziert, noch – nach einer Röntgenuntersuchung – die von ihm behaupteten Knochenbrüche in den Händen.

Schwierigkeiten für Verteidiger

Gegen Ende des Beweisverfahrens dehnt die Staatsanwältin die Anklage um das Delikt der Verleumdung aus, Verteidiger Pohle bemüht sich zu retten, was zu retten ist. Sein Mandant habe es eben so erlebt, wie er erzählt.

Als Argument führt er allerdings aus, dass J. sich zunächst widerstandslos festnehmen ließ und erst später aggressiv geworden sein soll – für Pohle ein Indiz, dass er zumindest grob behandelt worden sei.

Der Senat glaubt das nicht: J. wird, nicht rechtskräftig, zu zwei Jahren Haft verurteilt. Vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung durch die Fußbewegungen wird er freigesprochen. (Michael Möseneder, derStandard, 18.11.2014)