Wenn es nicht nur Parteitagsrhetorik und Theaterdonner war, was da am Wochenende in einer Freizeithalle am Grazer Stadtrand niedergegangen ist, dann könnte der Bundespolitik im nächsten Jahr ein Crashszenario drohen. Bundeskanzler Werner Faymann hat sich beim Parteitag der steirischen SPÖ in Graz mit lauter Unterstützung der steirischen Genossen einzementiert und die von ihm geforderten sechs Milliarden Euro für die Steuerreform als "nicht mehr verhandelbar" definiert.

Es war nicht nur die Festlegung auf die um eine Milliarde höhere Summe, als er bei der Koalitionsklausur im September mit der ÖVP paktiert hatte. Faymann und auch der steirische Landesparteichef Franz Voves schworen die Partei auf einen markanten Linksruck ein - der sie weit weg von der ÖVP führt. Die SPÖ rückt unter Absingen von Klassenkampfparolen eng zusammen.

Natürlich sind die heroischen Worte Faymanns auch im Hinblick auf den kommenden Bundesparteitag zu lesen, Faymann kämpft letztlich auch um sein eigenes Leiberl in der Partei und braucht am Parteitag ein passables Ergebnis. Es stehen zudem 2015 vier Landtagswahlen, darunter Wien, ins Haus. Da bedarf es einer emotionalen Aufmunitionierung. Aber die ultimative Forderung nach einer größeren als paktierten Steuerreform, nach Reichensteuern und die Rückkehr zu einem "starken Staat" sind auch ein massiver Angriff auf den Koalitionspartner. Der Zeitpunkt der Attacke so kurz nach dem Koalitionsfrieden von Schladming verwundert doch einigermaßen.

Die ÖVP unter ihrem neuen Obmann Reinhold Mitterlehner gibt sich gerüstet und provoziert zurück. Die Partei hat in den Umfragen wieder mit der SPÖ gleichgezogen, und Mitterlehner packt der Mut: Er stellt der SPÖ sogar die Rute ins Fenster. Wenn bis März die Steuerreform nicht steht, habe die Koalition ihren Auftrag nicht erfüllt. Er spricht es nicht offen aus, meint aber: Dann sind Neuwahlen fällig. In der ÖVP wäre man vorbereitet: Wenn sich bis Mitte 2015 der Konflikt um die Steuerreform tatsächlich zu einem Koalitionskrach ausweitet, könnte sich der für Mai 2015 geplante ÖVP-Parteitag problemlos in einen Wahlkampfauftakt umwandeln lassen. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass sich Mitterlehner an den Iden des März im nächsten Jahr an die Worte eines Vorgängers namens Wilhelm Molterer erinnert. Dieser hatte im Juli 2008 die Koalition mit den Worten "Es reicht" aufgekündigt. (Walter Müller, DER STANDARD, 17.11.2014)