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Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (li.) pocht auf eine Zweistaatenlösung, sein israelischer Amtskollege Avigdor Lieberman beharrt auf weiterem Siedlungsbau in Ostjerusalem.

Foto: EPA/ABIR SULTAN

Wilde, blutige Straßenkämpfe tobten in der Nacht auf Samstag in einem Dorf in Israel - aber nicht zwischen Arabern und Juden, sondern ungewöhnlicherweise zwischen Muslimen und Drusen. In der 13.000-Seelen-Gemeinde Abu Snan nordöstlich von Haifa gingen hunderte Männer mit Schusswaffen und Messern aufeinander los, Steine flogen, eine Handgranate explodierte.

Auf einem Amateurvideo ist zu sehen, wie ein Auto anscheinend vorsätzlich in eine Menschenmenge gesteuert wird, dann wird der Lenker herausgezerrt und verprügelt. 43 Menschen wurden verletzt. Am Sonntag war noch immer ein großes Polizeiaufgebot in dem Dorf stationiert.

Während die rund 20.000 Drusen im von Israel annektierten Golangebiet sich großteils als syrische Patrioten sehen und das Assad-Regime unterstützen, gelten die mehr als 100.000 drusischen Bürger Israels als loyal zum Staat. Viele dienen in der Armee und "Grenzwache", einer Abteilung der Polizei, die etwa bei der Bekämpfung von Krawallen in Ostjerusalem eingesetzt wird. So war der Polizist, der vor kurzem bei einer der "Auto-Terror"-Attacken in Jerusalem überfahren und getötet wurde, ein drusischer Offizier.

Seit Wochen Spannungen

Die unterschiedlichen Positionen gegenüber Israel scheinen auch der Grund für den Gewaltausbruch gewesen zu sein. Vorige Woche waren muslimische Burschen mit arabischem Kopfschmuck in die Schule gekommen und wollten demonstrieren, weil zuvor ein junger Araber im Dorf Kafr Kana von einem Polizisten erschossen worden war. Die drusischen Schüler wollten die Demonstration nicht zulassen.

Zugleich sollen im Internet gegenseitige Beleidigungen ausgetauscht worden sein. Eine Messerstecherei in einem Café am Freitagabend schaukelte sich dann zur Straßenschlacht hoch.

2009 war es in dem israelischen Städtchen Schfaram zu ähnlichen Unruhen zwischen Drusen und christlichen Arabern gekommen. Doch die Gemeindeverwaltung von Abu Snan versicherte jetzt, es habe sich um eine private Auseinandersetzung gehandelt. "Es gibt keinen Streit zwischen Muslimen und Christen und Drusen", sagte ein Einwohner im israelischen Fernsehen, "wir leben seit Jahrzehnten und Jahrhunderten wie Brüder ohne jeden Unterschied."

Steinmeier in Jerusalem

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sondierte indes am Sonntag in Jerusalem die Möglichkeit, vielleicht doch wieder Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern einzuleiten. Sein israelischer Amtskollege Avigdor Lieberman sagte dabei, es sei "der breiteste Konsens" in Israel, dass es für die Bautätigkeit in ganz Jerusalem "keine Beschränkung" geben dürfe. "Wir werden niemals akzeptieren, dass das Bauen in jüdischen Vierteln in Jerusalem als Siedlungstätigkeit definiert wird", so Lieberman. "Jeder Druck in diese Richtung wird sehr negativ und kontraproduktiv sein. Wir hoffen, dass man das in der Europäischen Union berücksichtigen wird."

Laut Steinmeier werden die EU-Außenminister "selbstverständlich auf der bisherigen Linie weiterhin sagen, dass die einzige Chance für dauerhaften Frieden und dauerhafte Sicherheit in Israel die Verfolgung des Friedensprozesses mit der Absicherung einer Zweistaatenlösung ist".

Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete am Sonntag von einem "vertraulichen Dokument" der EU, das einen Katalog von Sanktionen gegen Israel enthalte. Israelische Schritte, die als Hindernisse für eine Zweistaatenlösung gelten würden - etwa der Ausbau gewisser Zonen in und um Ostjerusalem - würden demnach mit spezifischen Maßnahmen sanktioniert werden, etwa bei den Handelsbeziehungen mit Israel. Das Dokument sei noch in der Diskussionsphase, doch ein Entwurf sei schon an die 28 Mitgliedsstaaten verteilt worden. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 17.11.2014)