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Foto: Reuters/SHENG LI

Wörter kommen, Wörter gehen, aber selbst wenn sie bleiben, heißt das nicht, dass sie dies in unveränderter Bedeutung tun. Manchmal verbessern sich Bedeutungen (ehe der "Marschall" zum höchsten militärischen Rang wurde, bezeichnete er einen Pferdeknecht), manchmal verschlechtern sie sich.

Der "Stolz" aber ist auf dem Weg nach oben. Einst hatte er als eine der sieben Hauptsünden in der christlichen Sündenlehre einen derart üblen Ruf, dass man kaum dazu angeraten hätte, in diesem Gefühl zu schwelgen. Wenn nun Sebastian Kurz eine Kampagne gestartet hat, die Zuwanderern den "Stolz" auf Österreich näherbringen soll, vertraut er offenbar darauf, dass sich dessen sündige Aura verflüchtigt und positiveren Aspekten Platz gemacht hat. In der Tat würde niemand am "Besitzerstolz" etwas Anrüchiges finden. Mit dem "Nationalstolz" ist es eine diffizilere Sache und eine Frage der Dosierung: Allzuviel ist hier schnell ungesund.

Etymologisch, so das Wörterbuch von Kluge, ist nicht eindeutig geklärt, woher der Stolz kommt. Vielleicht hat er etwas mit den "Stelzen" zu tun, Geräten also, die einem ebenfalls die erhebende Emotion vermitteln können, man bewege sich auf höherem Niveau als der Rest der Welt. Nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen ist, dass man im lateinischen "stultus" ("dumm, töricht") den eigentlichen Wort-Ahnherr des Stolzes findet. Von daher würde sich die altbekannte Redewendung erklären, dass es ein und dasselbe Holz ist, auf dem der Stolz und die Dummheit wachsen. (win, DER STANDARD, 15./16.11.2014)