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Entwicklungs- und Sprachstandsfeststellungen für Drei- oder Vierjährige sind grundsätzlich nicht strittig. Nicht einig sind sich ÖVP und SPÖ aber in der Frage, ob Strafen drohen sollen, wenn gesetzte Ziele nicht erreicht werden.

Foto: apa/Hochmuth

Wien - Beim Bildungsthema gab sich die ÖVP unter Reinhold Mitterlehner zuletzt zwar etwas liberaler als noch unter Vorgänger Michael Spindelegger. Nun lässt aber Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer mit einem Vorschlag aufhorchen, die Regelung zur Familienbeihilfe zu verschärfen.

Er will jenen Eltern, die Kinder mit Sprach- oder Entwicklungsdefiziten nicht in Förderkurse schicken, die Familienbeihilfe streichen. "Das hat nichts mit Entmündigung der Eltern zu tun. Es geht um Chancengerechtigkeit für das Kind", sagte er in den "Salzburger Nachrichten". Ob der Vorschlag offizielle Parteilinie ist? "Wir diskutieren dieses Thema sowohl im Evolutionsprozess als auch in der Arbeitsgruppe Bildung", hieß es auf STANDARD-Anfrage im Büro des neuen ÖVP-Chefs. Alle Vorschläge würden "ohne ideologische Scheuklappen und ergebnisoffen" behandelt.

SPÖ vermisst konkreten Vorschlag

Beim Koalitionspartner SPÖ kann man aber wenig mit der Idee anfangen. Man warte noch auf ein "konkretes Konzept", teilte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek mit. Ihr Standpunkt ist klar: "Kinder in diesem Alter entwickeln sich sehr unterschiedlich, daher sehen wir die Sprach- und Entwicklungsstandsfeststellung als Prozess - und nicht einmalig." Unklar sei auch, was Mahrer mit verpflichtender Förderung meine. Grundsätzlich sei ja nicht anzunehmen, "dass Eltern ihren Kindern bewusst Förderung vorenthalten, daher sind Strafen hier nicht etwas, was die Ministerin als sinnvoll erachtet", so eine Sprecherin Heinisch-Hoseks.

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer beurteilt den Vorschlag auch aus rechtlicher Sicht kritisch. Ziel der Familienbeihilfe sei eigentlich, finanzielle Defizite der Familien zu kompensieren. Wenn man nun die Leistung mit einem anderen Ziel, nämlich der Sprachförderung, verknüpfe, sei das möglicherweise aus verfassungsrechtlicher Sicht "unsachlich", so Mayer im STANDARD-Gespräch.

Weitere Verschärfung befürchtet

In der Praxis sei mit einer weiteren Verschärfung des Problems zu rechnen. Wird die Familienbeihilfe gestrichen, fehlen den Eltern schließlich Mittel für Fördermaßnahmen. Mayer zieht einen Vergleich: "Wenn jemand die Schulpflicht verletzt, kann ich im Gegenzug auch nicht das Recht auf freie Schulbücher streichen."

ÖVP-Überlegungen, die Eltern bei der Ausbildung stärker in die Pflicht zu nehmen, wurden erstmals bereits vor einigen Jahren ventiliert. So wird ein Eltern-Kind-Pass angeregt, in den eingetragen werden soll, welche Beratungen im Bereich Spracherwerb Eltern in Anspruch genommen haben. (Günther Oswald, DER STANDARD, 14.11.2014)