Blaues Licht bewirkt in Kombination mit dem Lebensmittelfarbstoff Curcumin, dass sich Keime einfach selbst auflösen.

Foto: Kristjan Plätzer/Uni Salzburg

Salzburg – Eine Zukunft, in der Antibiotika wenig bis gar nicht mehr wirken und das nicht nur den Zusammenbruch des Gesundheitssystems, sondern der gesamten Gesellschaft bedeutet: Dieses apokalyptische Bild zeichnen die britischen Ökonomen Richard Smith und Joanna Coast in zahlreichen Studien. Ob nun solche Schreckensszenarien realistisch sind oder nicht – fest steht, dass Bakterien immer resistenter gegen Antibiotika werden. Und diese Tatsache weitgehend ignoriert wird.

Die Folgen sind nicht nur ein medizinisches Problem, sondern auch ein soziales und finanzielles. Doch warum wird dagegen so wenig getan? Smith und Coast haben eine einfache Antwort darauf: Antibiotikaresistenzen verursachen zu wenig Kosten, um in Medizin, Forschung und Politik höhere Priorität zu genießen. Und doch: Die meisten Wissenschafter gehen davon aus, dass das Problem drastisch unterschätzt wird.

Das untermauern auch immer wieder Studien: Global 2000 etwa testete etwa im Jahr 2012 sieben Stichproben von Hühnerfleisch aus Supermärkten. Sechs von ihnen enthielten einen der bekannten resistenten Keime MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) oder die ESBL-Variante (Extended Spectrum Beta-Laktamase) von Escherichia coli.

Resistente Keime kommen vor allem in der Massentierhaltung gehäuft vor. Durch die Haltung von Nutztieren mit der sprichwörtlichen Sardinenmethode und unter nicht artgerechten Bedingungen werden diese öfter krank, die Ansteckungsrate ist durch die große Nähe zueinander sehr hoch. Die vermeintliche Lösung des Problems, nämlich der massenhafte Einsatz von Antibiotika, freut nur die Bakterien – sie bekommen nämlich dadurch viele Möglichkeiten, sich anzupassen. Das letzte Glied dieser Kette führt direkt zum Menschen: Durch das Fleisch der Tiere werden derartige Keime direkt auf Personen übertragen, die mit diesen Lebensmitteln hantieren. In erster Linie sind durch resistente Keime immunschwache Personen gefährdet, prinzipiell kann aber jeder zum Träger werden.

An Alternativen wird daher intensiv geforscht. Ein Forscherteam der Universität Salzburg um den Biophysiker Kristjan Plätzer beispielsweise hat nun eine Methode entwickelt, die eine Antibiotikabehandlung überflüssig machen soll. Dabei werden Bakterien auf Lebensmitteln mit ganz normalem Licht abgetötet. Die Wissenschafter verwendeten für ihre Versuche Hühnerfleisch, Paprika und Gurken.

Das Verfahren, die photodynamische Inaktivierung, kurz PDI, funktioniert so: Der Lebensmittelfarbstoff Curcumin, der bereits in vielen Nahrungsmitteln Verwendung findet und völlig harmlos ist, wird auf die Oberfläche von Fleisch aufgetragen und von den Bakterien aufgenommen. Dann wird die Oberfläche mit normalem, sichtbarem Licht, in diesem Fall blauem Licht, bestrahlt. Durch diese Kombination entstehen in den Keimen freie Sauerstoffradikale, die die Zellmembranen der Bakterien angreifen und sie so töten. Ob die Keime resistent sind oder nicht, spielt für die Wirksamkeit der PDI keine Rolle.

Altes Prinzip neu entdeckt

"Dieses Prinzip wurde erstmals bereits 1904 entdeckt und dann wieder vergessen. Als Penicillin aufkam, glaubte man nämlich, den Stein der Weisen bei der Bekämpfung von vielen Krankheiten gefunden zu haben", erzählt Kristjan Plätzer. "An Resistenzen war damals noch nicht zu denken – obwohl die ersten Methicillin- immunen Keime schon 1961 beschrieben wurden. Penicillin-Resistenzen gab es noch viel früher."

Das Neue an der Methode der Salzburger Forscher sei, dass sie direkt an Lebensmitteln verwendet werde und mit einem Lebensmittelfarbstoff arbeite, der zugelassen ist und in Tausenden von Nahrungsmitteln vorkommt. "Für den Konsumenten ist das Verfahren nicht nur gefahrlos, sondern auch unsichtbar. Es verändert weder Geschmack oder Geruch noch das Aussehen der behandelten Nahrungsmittel", sagt der Biophysiker, "außerdem kann sie auch bei Gemüse eingesetzt werden."

Wie kommen tierische Keime auf Gemüse? Auf der einen Seite durch tierischen Dünger, der auf Felder mit Zuchtpflanzen aufgebracht wird, auf der anderen Seite spielt die sogenannte Kreuzkontamination eine Rolle: Im Kühlschrank können Fleisch und Gemüse aneinandergeraten, oder der Koch oder die Köchin verwendet nichts ahnend für beide dasselbe Schneidbrett oder Messer. Wenn Fleisch gekocht, gebraten oder gebacken, also erhitzt, wird, werden die Bakterien abgetötet. Bei Gemüse, also etwa in Salaten, fällt das oft weg.

Für Gastronomie und Haushalt

In der Praxis soll die PDI in der Lebensmittelproduktion ansetzen, wo ein Großteil der Verbreitung passiert. Außerdem könnten in der Gastronomie Geräte eingesetzt werden, mit denen die Produkte dekontaminiert werden, bevor sie auf den Tisch kommen. Die technischen Möglichkeiten dazu fehlen allerdings noch. Auch für private Haushalte könnte die Methode verfügbar werden: Der Mikrowellenherd ist mit einer Zusatzfunktion "Licht" ausgestattet, das Lebensmittel könnte also vorher mit einem Curcumin-Spray eingesprüht und dann von Bakterien befreit werden.

Es gibt aber bereits weitere Alternativen zu Antibiotika: zum Beispiel Phagen. Diese Mikroorganismen sind sozusagen die Viren der Bakterien, die diese – und nichtmenschliche Zellen – befallen und zerstören. Vor allem in Osteuropa und Russland wird mit dieser Therapie geforscht und behandelt, in Westeuropa ist sie noch nicht zugelassen.

Einen Impfstoff als Alternative entwickelten beispielsweise US-Forscher, und zwar gegen resistente Staphylococcus-aureus-Varianten. Bei der Impfung werden Bestandteile der Bakterienwand gespritzt, gegen die das menschliche Immunsystem Antikörper bildet, die die Bakterien zerstören.

Alle diese und weitere Verfahren wie die Verwendung der Gruppe der Antimikrobiellen Peptide (AMP) – Aminosäure-Ketten, die auf Bakterien toxisch wirken – befinden sich noch im Anfangsstadium. Ob damit der Siegeszug der resistenten Keime noch rechtzeitig aufgehalten werden kann, bleibt fraglich. (Armin Fluch, DER STANDARD, 12.11.2014)