Am 18. Jänner 1989 machten der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (li.) und SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer Karl Blecha noch die Mauer. Wenige Tage später trat Blecha als Innenminister zurück, einige Monate später von allen anderen Funktionen.

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Heute ist Blecha wieder gern gesehener Gast von Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann (re.)

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Wien - "Ein Signal der Zukunft sieht anders aus", lästerten nicht wenige, als Karl Blecha vor zwei Jahren mit der Ausarbeitung eines neuen SPÖ-Parteiprogramms beauftragt wurde. Von dessen Finalisierung ist man heute zwar noch meilenweit entfernt, an der roten Basis ist der 81-Jährige mittlerweile aber viel weniger umstritten als sein Ko-Koordinator Josef Cap, der mit einem Posten am parteieigenen Bildungsinstitut versorgt wurde, um auf ein Gehalt wie früher als Klubobmann zu kommen.

"Blecha kümmert sich wirklich, bindet die Parteijugend ein und ist kein kalter Zyniker wie Cap", findet ein SPÖler lobende Worte. An Erfahrung mangelt es naturgemäß nicht. Er hat schon das Programm 1978 mitformuliert "und weiß daher, was in der Partei geht und was nicht geht", heißt es.

Neue Welt

Ist er also noch immer der einzige unersetzbare Genosse, wie einst Bruno Kreisky meinte? Blecha widerspricht: "Es geht nicht darum, dass ein Alter das Programm im Alleingang schreibt." Er sei lediglich einer, der den Diskussionsprozess ins Rollen bringe, um die "Sozialdemokratie zukunftsfit zu machen".

Wenn man Blecha fragt, was damit gemeint ist, sprudelt es minutenlang aus ihm heraus: Globalisierung, Klimawandel, ökologisch bedinge Hungerzonen, Zunahme der Schadstoffemissionen, Digitalisierung des Lebens, die neue industrielle Revolution, sinkende Geburtenraten, zunehmende Chancenungleichheit und, und, und. Die Welt von heute sei, sagt Blecha, nicht mit jener von 1998 zu vergleichen, als das letzte Parteiprogramm beschlossen wurde. Auf all diese neuen Anforderungen müsse die Sozialdemokratie Antworten geben.

Gepusht vom Sonnenkönig

Neue und junge Wählerschichten anzusprechen war schon vor 40 Jahren seine Aufgabe. Der Mitgründer des Meinungsforschungsinstituts Ifes führte als erster Media- und Wählerstromanalysen in der SPÖ ein. Unter Kreisky kletterte er sukzessive die Karriereleiter hinauf: 1970 bekam er auf Drängen des roten "Sonnenkönigs" sein erstes Nationalratsmandat. 1976 stieg er zum Zweiten Zentralsekretär der SPÖ auf, ab 1979 war Blecha Vizeparteichef, ab 1983 Innenminister.

Zeitweise galt er sogar, wie auch sein jahrelanger innerparteilicher Kontrahent Hannes Androsch, als Anwärter auf die Nachfolge Kreiskys. Am Willen zur Macht fehlte es sicher nicht. Zum Zug kamen dennoch andere: zuerst Fred Sinowatz (ab 1983), dann Franz Vranitzky (ab 1986).

Der Sturz

Wenige Monate bevor die Berliner Mauer fiel, stürzte auch der Politiker Blecha. Die Affären Lucona und Noricum kosteten ihn alle politischen Ämter. Im Fall Lucona (beim Untergang des gleichnamigen Frachtschiffs kamen sechs Menschen ums Leben) ging es um den Vorwurf, Blecha habe die Ermittlungen gegen Udo Proksch behindert. Letztlich endete sein Prozess aber mit einem Freispruch. Im Fall Noricum, bei dem es um illegale Waffengeschäfte ging, wurde er 1993 wegen Urkundenunterdrückung und Beweismittelfälschung zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Wenn man ihn heute fragt, was er am meisten bereue, fallen Blecha allerdings nicht diese zwei Skandale ein. Von Reue will er überhaupt nicht sprechen, nur von Versäumnissen. "Wenn ich mir heute ansehe, welchen Zulauf autoritäre Bewegungen haben, welche Einstellungen in Leserbriefen und in den Social Media vertreten werden, dann frage ich mich: Was haben wir in der Bildungspolitik nach den 1970er-Jahren verabsäumt?"

Alles ehrenamtlich

Für den Bezug zur Jugend sorgt schon die eigene Familie. Die jüngste von drei Töchtern ist erst 14. Fad wird ihm auch sonst nicht. Stolz erzählt Blecha, er sei Mitglied in 32 Vereinigungen und Gesellschaften. "Alles ehrenamtlich", wie er versichert, wobei er natürlich von seiner Politikerpension, die über 10.000 Euro liegen soll, auch gut leben kann.

Am Mittwoch wird er als Chef des SPÖ-Pensionistenverbands, dem er seit 1999 vorsteht, wiedergewählt. Gemeinsam mit seinem schwarzen Pendant Andreas Khol sorgt er seit Jahren dafür, dass die Wünsche der Senioren von der Regierung gehört werden. In dieser Funktion habe er auch gelernt, Argumente des politischen Gegners besser zu verstehen. "Der junge Blecha war sehr von einem revolutionären Elan nach den 68er-Ereignissen geprägt. Der alte Blecha ist der Meinung, dass beständige Lösungen in einer zersplitternden Gesellschaft nur über Kompromisse erreicht werden." (Günther Oswald, DER STANDARD, 11.11.2014)