Wien - Es ist ein Reizthema für die SPÖ und wurde von Reinhold Mitterlehner wohl nicht zufällig wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag ausgegraben. Die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose sollten auf den Prüfstand gestellt werden, erklärte er. Es ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie getrieben Mitterlehner, aber auch sein Gegenüber Werner Faymann, derzeit sind. In den nächsten Monaten sind die Kalender der Regierungsspitzen mit heiklen Terminen voll, die das Finden von Kompromissen bei den großen Streitfragen nicht einfacher machen.

SPÖ-Parteitag: Nach Mitterlehner, der am Samstag offiziell als Nachfolger von Michael Spindelegger bestätigt wird, muss sich Faymann am 28. November der Wiederwahl als SPÖ-Vorsitzender stellen. Bei der letzten Wahl 2012 fuhr er ein desaströses Ergebnis von nur 83,4 Prozent ein. Um eine Wiederholung zu vermeiden, ist der Kanzler derzeit auf SPÖ-interner Wahlkampftour unterwegs. Vom ÖGB kupferte er deren Steuerideen ab, auch bei der jüngsten Regierungsumbildung kam mit Sabine Oberhauser eine Gewerkschafterin zum Zug.

Spätestens im Frühjahr wird auch in Wien der Landtagswahlkampf voll einsetzen. Die SPÖ droht unter die 40-Prozent-Marke zu fallen.
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Als Signal an die SPÖ-Frauen wurde am Donnerstag eine Reform der parteieigenen Quotenregelung beschlossen. "Faymann tut alles, um sein Parteitagsergebnis aufzubessern", resümiert der Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit dem STANDARD. Denn: "Wenn er viel schlechter als Mitterlehner abschneidet, geht er geschwächt in die Verhandlungen über die Steuerreform."

Leichter wird es für die Frontmänner von Rot und Schwarz aber auch nach den Parteitagen nicht.

Wirtschaftskammerwahl: In der ÖVP sind schon die Vorboten der WKO-Wahl, die Ende Februar stattfindet, zu bemerken. Durch das Antreten der Neos droht dem VP-Wirtschaftsbund in Wien der Verlust der Absoluten. Die Kleinpartei versucht, sich bereits mit der Forderung nach einer Ausweitung der täglichen Arbeitszeit zu positionieren.

ÖVP-intern ist man daher bemüht, keine Fronten gegen den Wirtschaftsbund aufzumachen. So gebe es zwar den ein oder anderen Befürworter einer Registrierkassenpflicht im Gastgewerbe, da damit nach Schätzungen des Finanzministeriums rund 700 Millionen Euro pro Jahr an bisher unterschlagenen Steuergeldern eingetrieben werden könnten.

Ausgesprochen wird das aus Parteiräson aber nicht. Dafür wird in Wirtschafts- und Industriekreisen wieder nach einer Zusammenlegung der Krankenkassen gerufen. "Es geht um die Abgrenzung zur SPÖ. Und man möchte das Image der Neinsager-Partei loswerden", sagt ein Schwarzer.

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Kann Reinhold Mitterlehner keine Erfolge einfahren, könnte es mit der Ruhe schnell wieder vorbei sein, meint Politikberater Thomas Hofer.
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Beamte: In Ansätzen nehmen Rot und Schwarz auch auf die Personalvertretungswahlen bei den Beamten am 26. November Rücksicht. Die Arbeitsgruppe zur Schulreform tagt erst danach, die Einsparungen beim Heer werden wohl auch erst nach dem 26. November endgültig finalisiert.

Sind diese Wahlen erst geschlagen, haben sich SPÖ und ÖVP den Ministerratsbeschluss zur Steuerreform vorgenommen. Anvisiertes Datum ist der 17. März. "Dann steht der echte Showdown an", meint Hofer. "Sowohl Faymann als auch Mitterlehner müssen dann liefern."

"Der einzige Pokal, den die ÖVP holen kann"

Der Druck aus den Landesgruppen dürfte jedenfalls groß werden. In Wien, Oberösterreich, der Steiermark und im Burgenland stehen im Herbst 2015 Landtagswahlen an. In der Bundeshauptstadt droht der SPÖ der Absturz unter die 40-Prozent-Grenze, in der Steiermark der Verlust des Landeshauptmannsessels. "Die SPÖ hat viel zu verlieren", sagt Hofer.

Umgekehrt sei die Steiermark "der einzige Pokal, den die ÖVP holen kann", wobei man wohl den Landesparteichef austauschen müsste, glaubt Hofer. Oberösterreich ist ohnehin eine Bank, im Burgenland und in Wien dürfen die Schwarzen auf keine großen Sprünge hoffen. Hofer: "Für Mitterlehner heißt das trotz jetzigem Vertrauensvorschuss: Wenn er nicht ein paar Sachen wie die Reichensteuer verhindert und für die eigene Klientel etwas herausschlägt, wird in der ÖVP ganz schnell wieder Ernüchterung einsetzen." (Günther Oswald, DER STANDARD, 7.11.2014)