Die Preisgrenze, bis zu der am Wiener Mietmarkt eine starke Nachfrage herrscht, ist auf 800 Euro gesunken. Im hochpreisigen Segment - Mietwohnungen um mehrere tausend Euro - ging es für die Makler zuletzt wieder etwas besser.

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Michael Pisecky: "Nachverdichten heißt auch Aufstocken um Regelgeschoße."

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STANDARD: Im Frühjahr hieß es, es sollten bald mehr gebrauchte Eigentumswohnungen auf den Markt kommen. Sind die schon da?

Pisecky: Wir sehen heuer jedenfalls eine zufriedenstellende Entwicklung, die Transaktionszahl ist wieder gestiegen. 2013 gab es da einen starken Rückgang bei den Kauftransaktionen, um 15 Prozent weniger als 2012. Von der Stückanzahl her. In anderen Branchen hätte man da schon von einem Einbruch gesprochen. Das Volumen war aber nur sieben oder acht Prozent darunter. Jetzt sind wir noch nicht ganz wieder auf 2012er-Niveau, aber doch deutlich über dem vom Vorjahr, wahrscheinlich bei etwa zehn Prozent. Der Markt ist also wieder größer geworden. Das wirkt sich in allen Gruppen aus. Im Vorjahr wurden knapp 30.000 Wohnungen verkauft, heuer dürften es um 2000 bis 3000 mehr sein.

STANDARD: Hat sich beim Verhältnis zwischen Miete und Eigentum bei den Anfragen etwas verschoben?

Pisecky: Quantitativ traue ich mich das nicht zu sagen. Wir haben am Wiener Mietmarkt nach wie vor eine starke Nachfrage. Die Grenze, bis zu der stark nachgefragt wird, ist aber mittlerweile auf 800 Euro gesunken. Wohnungen um 1000 oder 1200 Euro haben eine deutlich geringere Nachfrage als zuvor. Im hochpreisigen Segment, also bei Mietwohnungen um mehrere tausend Euro, geht es wieder besser. Aber die Mitte ist weggebrochen. Das deutet darauf hin, dass die Preissensibilität der Mieter gravierend ist.

STANDARD: Gleichzeitig gibt es hunderte Dachgeschoßwohnungen im Angebot. Wurde da am Markt vorbei nachverdichtet?

Pisecky: Bei den Dachgeschoßwohnungen ist sicher mehr Angebot als Nachfrage vorhanden. Nur: Verwechseln wir bitte nicht Nachverdichtung mit Dachgeschoßausbauten. Ja, ich bin der Meinung, wir haben zu viele große Wohnungen, und wenn wir da welche dazubauen, trifft das nicht den Bedarf. Nachverdichtung heißt aber auch: Aufstockung um Regelgeschoße – nicht nur Dächer auszubauen. Wenn man in neuen Regelgeschoßen 60-m²-Wohnungen schafft, werden die sicherlich vermietet, auch wenn sie 800 bis 1000 Euro kosten. Hochwertige moderne Wohnungen innerhalb der bereits vorhandenen Infrastruktur – dort wollen die Leute wohnen. Auch Parkplätze sind da kein großes Problem. Die jungen Leute, die in der Stadt wohnen, haben oft kein Auto mehr.

STANDARD: Solche kleinen Wohnungen sind im Dachgeschoß wohl ohnehin nicht möglich - Stichwort Schrägen?

Pisecky: Kunden, die 5000 Euro pro m² für eine Dachgeschoßwohnung zahlen, gibt es nach wie vor. Die kaufen aber auch nur dann, wenn es genau passt. Wenn es nicht passt, kaufen sie nicht. Extreme Schrägen, die bis zum Boden reichen, oder eine Terrasse, die nicht auf der Wohnebene ist – so etwas wollen die Leute nicht.

STANDARD: Diese Wohnungen sind dann wohl auch zu teuer, um sie vermieten zu können?

Pisecky: Ja, so eine Wohnung bringt man als Mietwohnung nicht los, wenn die einmal 2.500 Euro kostet.

STANDARD: Am Dach des Einkaufszentrums Aufhof Centers im Westen Wiens entstehen gerade geförderte Wohnungen. Sind Sie da auch ein Fan davon, Gewerbeflächen zu überbauen?

Pisecky: Ja, ich bin sehr dafür, bei der Nachverdichtung die verbaute Fläche durchzugehen und zu schauen, wo man vernünftig Wohnraum schaffen kann dadurch, dass man in die Höhe geht. Die Stadt hat bekanntlich die Maxime, 50 Prozent des Stadtgebiets als Grünland erhalten zu wollen. Das finde ich nicht unvernünftig. Aber dann müssen wir die anderen 50 Prozent umso vernünftiger nutzen.

STANDARD: Also Gewerbeflächen aufstocken, wo möglich?

Pisecky: Im 22. Bezirk gibt's Flächen so groß wie die Josefstadt, die nur mit billigen Gewerbehallen zugepflastert sind. Da kann man natürlich nicht draufbauen. Aber man kann sich heute schon überlegen, was dort passieren soll, wenn diese Hallen in die Jahre kommen. Denn auch das ist Nachverdichtung: Zu analysieren, was alles so "abreift" im Lauf der Zeit, damit man in einer nächsten Phase etwas Gescheites draus machen kann. Das ist besser, als auf der grünen Wiese zu bauen. Natürlich müssen wir aber auch innerstädtisch irgendwann einmal mit dem Tabu brechen, nichts abreißen zu dürfen. Ein Haus aus den 1950er-Jahren, das nicht besonders toll gebaut ist, sollte man leichter durch ein modernes fünf-, sechsstöckiges Haus ersetzen können.

STANDARD: Zurück zum Markt. Ist der Boom der Vorsorgewohnungen vorbei?

Pisecky: 2010 bis 2012 war extrem, mit der Immo-ESt gab's 2012 einen kleinen Knick. Jetzt haben alle ein bisschen ausgeblasen, aber es geht wieder los.

STANDARD: Einige Projekte haben von Vorsorge auf Eigennutzer umgesattelt ...

Pisecky: Ich glaube, dass es immer mehr solche "gemischten" Objekte geben wird. Das ist auch eine Vertriebsstrategie von Maklern wie der s Real: Wir bieten neue Wohnungen sowohl Eigennutzern als auch Anlegern an. Und immer mehr Anleger kaufen als Eigennutzer, verzichten also auf den Vorsteuerabzug und damit auf die 20-jährige steuerliche Bindung inklusive der Verpflichtung, die Wohnung in diesem Zeitraum zu vermieten. Dafür können sie auch ohne USt vermieten und haben kein Problem, wenn sie die Wohnung in fünf Jahren selbst brauchen.

STANDARD: Manche Wohnung wird aber auch gleich gar nicht vermietet ...

Pisecky: Wohnungen, die als Vorsorgewohnungen gekauft wurden, sind in aller Regel schon vermietet. Es gibt aber viele Leute, die nach dem Motto "Grundbuch statt Sparbuch" einfach ihr Geld angelegt haben, durchaus in größeren, schöneren Wohnungen. Von denen stehen tatsächlich einige leer, vor allem wenn sie 2010 und 2011 gekauft wurden.

STANDARD: Mancher kritische Beobachter sagt, dass die Vorsorgewohnungen in den letzten Jahren extrem billig gebaut wurden, und dies in 20 Jahren für einige böse Überraschungen sorgen wird ...

Pisecky: Das hab ich noch nicht gehört. Aber die Mindeststandards definiert die Wohnbauförderung.

STANDARD: Die Bauordnung, oder?

Pisecky: Ja, aber die Erfordernisse aus der Wohnbauförderung beeinflussen qualitativ das, was heute gebaut wird. Und diese Erfordernisse sind sehr hoch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Österreich qualitativ nicht top bauen kann. Man hat ja Vorschriften ohne Ende. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass die Vorsorgewohnungen in den letzten Jahren wirklich schon ziemlich teuer wurden – das war 2010 noch anders als 2012 oder 2013. Und dass man den Mietzins der Erstvermietung bei der Zweitvermietung vielleicht nicht mehr realisieren kann, das kann ich mir auch vorstellen. Aber man hat immerhin laufende Einnahmen. Mit drei Prozent ist man ja eh schon fast im High-Yield-Segment.

STANDARD: Was müsste passieren, dass die nicht vermieteten Vorsorgewohnungen auf den Markt kommen?

Pisecky: Das liegt in erster Linie am Mietrecht. Die Leute wollen sich das mit einem Mieter oft "nicht antun". Die fehlende Balance zwischen Eigentums- und Mietrecht ist ja auch der Hauptgrund dafür, warum es fast nur mehr befristete Mieten gibt. Dass das für einen Mieter unangenehm ist, verstehe ich. Aber wenn ich kein ordentliches Kündigungsrecht als Eigentümer habe, wenn ich also nicht frei über mein Eigentum disponieren kann, dann vermiete ich nur befristet. Das ist die beinharte Konsequenz. Denn ich weiß ja nicht, ob ich nicht in zehn Jahren die Wohnung brauche oder nicht. Oder ob ich das Haus irgendwann umbauen oder generalsanieren will. Das sollte unter Einhaltung gewisser Fristen möglich sein.

STANDARD: Welche Kündigungsfrist schwebt Ihnen da vor?

Pisecky: Es müsste so sein, dass ich als Vermieter beispielsweise mit einer dreijährigen Frist dem Mieter kündigen kann. (Interview: Martin Putschögl, DER STANDARD, 8.11.2014)