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Glaubt man dem Ökonomen Ferran Brunet, dann würde sich bei einer Unabhängigkeit die Wolken über Katalonien verdunkeln.

Foto: apa/vlachos

Madrid/Barcelona - Kataloniens separatistische Regionalregierung will am Sonntag gegen den Widerstand von Madrid eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit durchführen. Und je näher das Datum rückt, desto mehr raten Kataloniens Großunternehmer den Strippenzieher in Barcelona mit Blick auf die zu befürchtenden Wirtschaftsfolgen von ihrem Unabhängigkeitsplan ab.

Der Druck wird hinter den Kulissen ausgeübt. Doch Anfang des Jahres sahen sich die in Katalonien ansässigen deutschen Unternehmen durch das starköpfige und nun auch illegale Festhalten des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas (CiU) an seinem Unabhängigkeitsreferendum zu einer öffentlichen "Erklärung von Barcelona" genötigt. Die deutschen Großunternehmen warnten Mas vor den "verheerenden Folgen", die eine Unabhängigkeit Kataloniens mit sich brächte.

"Wirtschaftlicher Kollaps"

Wie verheerend die Folgen tatsächlich ausfallen könnten, hat Ferran Brunet, Wirtschaftsprofessor an der Autonomen Universität Barcelona, errechnet. "Die Unabhängigkeit würde in Katalonien einen wirtschaftlichen Kollaps provozieren", versichert Brunet. Wenn sich Katalonien von Spanien trennt, gehöre es nicht mehr zur EU, womit auch die Finanzierung durch die Europäische Zentralbank wegfalle sowie der freie Verkehr der Arbeiter, Waren, Dienstleistungen und des Kapitals.

Auch sei zu bezweifeln, dass der Euro automatisch die offizielle Währung in Katalonien bleibe könne, gibt der renommierte Wirtschaftsprofessor zu bedenken. Die Konsequenz: "Der Handel mit Spanien würde um 45 Prozent zurückgehen, mit den restlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union um 25 Prozent und mit dem Rest der Welt um 20 Prozent".

Explodierende Arbeitslosigkeit

"Die extrem auf Export ausgerichtete katalanische Wirtschaft würde daran zerbrechen und die Arbeitslosigkeit rasant um 16 Punkte auf bis zu 34,4 Prozent hochklettern", warnt der Wirtschaftsexperte. Das seien zwar nur Theorien, aber die Vergleichszahlen in anderen Regionen, in denen sich ein Teil des Landes vom anderen trennte, seien ziemlich realistisch, so Brunet, der sich offen als Unabhängigkeitsgegner erklärt und Ende Oktober auch eine entsprechende Studie für die pro-spanische Bürgerbewegung "Katalanische Zivilgesellschaft" (SCC) erstellte.

Brunet versichert zudem, ein Ausscheiden aus der EU, das sich automatisch aus der Trennung von Spanien ereignet, führe im optimistischsten Szenarium zu einem Fall des Bruttoinlandproduktes (BIP) um 7,4 Prozent. "Im schlimmsten Fall kann das BIP durch die wirtschaftlichen Folgen einer Unabhängigkeitserklärung um bis zu 23,5 Prozent zurückgehen", so Brunet. Das Institut für Wirtschaftsstudien (IEE) sieht neben massiver Kapitalflucht ebenfalls einen Einbruch beim katalanischen BIP um mehr als 20 Prozent voraus.

Staatsschulden mitnehmen

Banken wie JP Morgan und UBS, die in jüngsten Studien vor den "potenziell verheerenden" Auswirkungen einer Sezession warnten, teilen die Befürchtungen Brunets und weisen darauf hin, dass bereits mit 60 Milliarden Euro verschuldete Katalonien müsse bei einer Abspaltung zudem seinen Anteil an den spanischen Staatsschulden übernehmen, der sich auf weitere 100 Milliarden Euro beläuft. Ferner wäre etwa zu klären, wer die Pensionen zu bezahlen hätte.

Salvador Cardus vom "Rat für den Nationalen Übergang", eine Art Expertenrat, den die katalanische Regionalregierung ins Leben gerufen hat, um sich auf dem Weg in die Unabhängigkeit beraten zu lassen, sieht die wirtschaftlichen Perspektiven eines unabhängigen Kataloniens aber keineswegs so düster. "Es stimmt, dass wir als eigenständiger Staat zunächst hohe Kosten zu bewältigen hätten und mit kurzzeitigen Marktnachteilen und der Skepsis der internationalen Finanzmärkte zu kämpfen hätten", gibt Cardus zu.

Nicht lange vor der Tür

"Doch nach unseren Berechnungen würde Katalonien schon bald nach der Unabhängigkeit einen Budgetüberschuss von 11.500 Millionen erzielen", so Cardus weiter. Zudem werde die Europäische Union "keinen potenziellen Nettozahler von der Größe Kataloniens mit 7,5 Millionen Konsumenten lange vor der Tür warten lassen", meint das Mitglied aus dem unabhängigen Expertenrat der Regionalregierung. Er vermutet sogar, dass auch das anfangs beleidigte Spanien wohl schneller als gedacht die bilateralen Handelsbeziehungen zum neuen Nachbarstaat aufnehmen werden, "da die spanische Wirtschaft genau so von der katalanischen abhängt wie umgekehrt".

Wirtschaftsprofessor Brunet bezeichnet solche Aussagen als "propagandistische Lüge". Mit Sicherheit würde Katalonien früher oder später wieder in die EU aufgenommen werden. Doch das kann Jahre dauern und das würden Kataloniens Banken und Unternehmen nicht überstehen, versichert er. "Außerdem braucht nur ein einziger der 28 EU-Mitgliedstaaten gegen die Aufnahme Kataloniens stimmen und dann wäre das Spiel aus", sagt Brunet. (APA, 7.11.2014)