Die Kreativität der Werbebranche ist grenzenlos. Genauso wie die Fantasie unseres Autors Stefan Ender. Er denkt sich an dieser Stelle wöchentlich eine Geschichte zu einer aktuellen Werbekampagne aus. Das Magazin mit dem aktuellen Werbesujet fotografierte Lukas Friesenbichler, das Originalmotiv stammt von Hans Silvester.

Foto: Lukas Friesenbicherl/Originalsujet hans silvester

Als Alleinerbin des mit Abstand größten französischen Kosmetikkonzerns war Celine Chaiselongue nicht nur reich an Vermögen, sondern auch an Spleens. Allein in Paris unterhielt die 30-Jährige sieben repräsentative Wohnungen - für jeden Wochentag eine. Dazu kamen zwölf über den Erdball verstreute größere Anwesen, die sie ausschließlich monatsweise nutzte.

Zusätzlich zu ihrem kalendarischen Knacks hatte die schöne junge Frau aber noch eine ganz besondere Marotte: Zu jedem Kleidungsstück, das sie kaufte, musste auch ein farblich dazu passendes Tierpaar erworben werden. Der Auslöser für diesen Tick war in ihrer Kindheit zu finden: An ihrem sechsten Geburtstag hatte Chaiselongue von ihrer Lieblingstante Clemence ein dottergelbes Kleidchen von Dior geschenkt bekommen – eine Spezialanfertigung, selbstredend. Nur wenige Minuten darauf präsentierte ihr Clemences Schwester Claire ihr Geschenk: zwei quietschgelbe Wellensittiche.

Foto: Lukas Friesenbicherl/Originalsujet hans silvester

Irgendetwas machte in diesem Moment Klick in Celines damals schon etwas überreiztem Kleinkindgroßhirn. Von diesem Tag an bekam das verwöhnte Ding Tobsuchtsanfälle, wenn auf den Kauf von Textilem nicht auch ein Tier folgte. Was die nächsten Jahre Papa bezahlen und organisieren musste, übernahm später ihr Ehemann: Zu ihrem Hochzeitskleid schenkte ihr der spanische Spirituosenmagnat José Maria Freixenet de Bourbon y Averna zwei sibirische Schneetiger. Zu einem Abendkleid von Versace erfreute er seine Gattin letzten Monat mit einem Pfauenpaar. Und für Celines erdfarbenes Outfit von Hermès, das sie letzte Woche erworben hatte, hatte sie sich zwischen Islandpferden und Vorarlberger Braunvieh entscheiden müssen. Die Islandpferde hatten knapp das Rennen gemacht – sie passten noch eine Nuance besser zu ihren Haaren.

Da Chaiselongue eine Frau mit einer überdurchschnittlich großen Leidenschaft für Mode war, war auch ihr Tierpark in den letzten Jahren stetig angewachsen - inzwischen auf gut die dreifache Größe des Schlossparks von Versailles. Ihre Vermögensverwalter sahen dies mit Sorge: Chaiselongues ursprünglich zweistelliges Milliardenvermögen schmolz bedenklich schnell der Einstelligkeit entgegen. Die exzentrische Erbin schlug jedoch alle Warnungen in den Wind. Diese armseligen Krämerseelen! Solange sie sich ihre textile Animalie, wie sie es schmunzelnd bezeichnete, leisten konnte, würde sie das auch tun. Diese wohligen Schauer, wenn sie sich eins fühlte mit den Tieren: Nichts war für Celine beglückender. (Stefan Ender, derStandard.at, 9.11.2014)