Wien – Ein Türschild im Wissenschaftsministerium hat die Grünen neugierig gemacht und im September zu einer parlamentarischen Anfrage bewogen. "Prof. Dr. Josef Höchtl, Sonderbeauftragter für internationale Angelegenheiten des Ressorts, Eh. Abgeordneter zum Nationalrat" ist auf dem Schild, hinter dem sich das Büro des früheren Obmanns des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes (ÖAAB) und ÖVP-Abgeordneten verbirgt, zu lesen.

"Abgeordnete Sigrid Maurer und Freundinnen und Freunde" formulierten daraufhin 14 Fragen an Vizekanzler und Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), um in Zeiten, da das Ministerium in der Verwaltung spare, zu eruieren, "welche Aufgaben Höchtl erledigt, die im Ministerium sonst niemand erledigen kann", wie sie im September im "Kurier" erklärte. Man vermutete (nicht zu Unrecht) , dass der wohldotierte Politiker-Pensionist Höchtl ein Salär für seine Tätigkeit bezieht.

Die Anfrage der Grünen drehte sich denn um die Details für Höchtls Tätigkeit als Sonderbeauftragter und um ihre Rechtsgrundlage.

Vertrag bis 2016

Am 6. November hat Vizekanzler Mitterlehner die Antworten erteilt. Daraus erschließt sich, dass Höchtl, der auch die Dr. Josef Höchtl-International Consulting betreibt, erst per Ende November 2012 "in den Ruhestand versetzt" wurde. Lückenlos ging es dann weiter, auf Basis einer Vereinbarung "mit dem seinerzeitigen Wissenschaftsministerium" sei Höchtl von 1. Dezember 2012 bis 31. Juli 2016 als Sonderbeauftragter tätig. Und: "Dabei handelt es sich nicht um einen Beratervertrag."

Die Frage nach Höchtls "besonderen Qualifikationen" für den Job und nach seinen Aufgaben und Leistungen beantwortet Mitterlehner kursorisch so: Er sei schon im Vorgängerressort "jahrzehntelang als Sonderbeauftragter … in diversen Gremien vertreten" gewesen und verfüge "über langjährige Erfahrung und spezifisches Fachwissen". Um selbiges "produktiv und im Sinne eines Wissenstransfers weiterhin zu nutzen" wurde Höchtl per Vertrag mit dem seinerzeitigen Wissenschaftsministerium zum "Senior Public Expert" des Ressorts geadelt.

Budapest bis Venezuela

Penibel listet der Vizekanzler Höchtls – ehrenamtlich ausgeübte – Aufgaben auf; viel Freizeit bleibt dem 67-Jährigen demnach nicht. Von der "Weiterentwicklung der Deutschsprachigen Gyula-Andrássy-Universität in Budapest" (als Kurator und österreichischer Vertreter im Universitätsrat) über seine Vizepräsidentschaft im Stiftungsrat des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) bis hin zu seiner "Mitwirkung in speziellen österreichischen Gesellschaften" wie der Präsidentschaft der Österreich-Venezolanische Gesellschaft: Höchtl ist dabei.

Er muss auch viel reisen, fungierte er laut Anfragebeantwortung doch auch bei "großen internationalen Konferenzen als Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft". So sei Höchtl beispielsweise bei der Unido-Generalkonferenz in Lima gewesen, bei Konferenzen in Taschkent und Hongkong und Kioto.

Sonderstellung

Dabei genießt der ehemalige ÖAAB-Chef eine Sonderstellung. Ob derartige Verträge auch mit anderen Exmitarbeitern des Wissenschaftsressorts bestünden, wollten die Grünen wissen. "Nein", lautet die knappe Antwort Mitterlehners.

Gewisse Sonderstellungen genoss Höchtl schon früher. 1975 bis 1999 war er Abgeordneter zum Nationalrat, davor an der Wiener Wirtschaftsuniversität tätig, wo er "lange ein Einkommen bezog, aber keine Arbeit verrichtete", wie auch die Grünen noch wissen.

Tatsächlich hatte Höchtl seit 1975 ein Gehalt von der Wirtschaftsuniversität bezogen, obwohl er dort dienstfrei gestellt war. 1996 wurde das (per STANDARD) publik, damals schon machten die Grünen eine Anfrage, warum Höchtl als Beamter des Wissenschaftsministeriums nicht in den Ruhestand versetzt worden sei. Die damalige Antwort: Er habe nicht seine Versetzung in den Ruhestand beantragt, sondern als "außer Dienst" gestellter Beamter weiterhin 75 Prozent seines Beamtengehalts bezogen.

Nebenverdienst für Beamte in Ruhe

Nun ist Josef Höchtl also ein "Austria Senior Public Expert (ASPE)" – was das genau ist, das erschließt sich aus der Lektüre der Homepage des Bundeskanzleramts. Unter dem Titel "Wissenssicherung" will der Bund das Know-how von "Fach und Führungskräften des öffentlichen Diensts im Ruhestand" weiter nützen; ganz nach dem Vorbild der Privatwirtschaft, die das bei ihren Pensionisten "seit Jahren mit Erfolg" tue.

Über Bezahlung und Vertragsausgestaltung erfährt man auf der Website nur wenig. Die ASPEs bekommen Werk- oder freie Dienstverträge, Vertrag, Verrechnung und Bezahlung wickelt das – notabene – "nachfragende" Ressort ab. In Höchtls Fall also das heutige Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium. (Renate Graber, derStandard.at, 6.11.2014)