Harald Felgenhauer entwirft Offline-Szenarien für den Notfall.

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STANDARD: Was ist das Resilienznetzwerk Österreich?

Harald Felgenhauer: Wir sind eine zivilgesellschaftliche Plattform kritischer Leute, die sich Gedanken über die Zukunft machen. Denn diese wird möglicherweise turbulenter als unsere Vergangenheit. Ich spreche nicht von einer Katastrophe, aber es wird turbulenter als in den letzten 60 Jahren. Es gibt uns seit drei Jahren. Letztes Jahr organisierten wir den Workshop "Plötzlich Blackout" zu Auswirkungen eines Stromausfalls, heuer geht es um das Internet.

STANDARD: Sie schreiben in der Einladung zum Workshop "Plötzlich offline", die Ukraine oder Syrien könnten Auswirkungen auf unseren Internetzugang haben.

Felgenhauer: Wir beobachten die Rückkehr großer geopolitischer Spannungen. Wir leben nicht in einem Krisengebiet, aber das Internet ist eine direkte Brücke: Leute, die Krieg führen, verwenden dasselbe Internet wie wir. Das ist der richtige Moment, um zu überlegen, ob wir ihm alle Lebensbereiche überlassen wollen. Einer der Urväter des Internets, Danny Hillis, hat gesagt, das Internet war vorhergesehen für Kommunikation von einem kleinen Kreis von Leuten, die einander vertrauen. Es sei heute zu groß, vielschichtig und komplex. Das ist in 97 Prozent der Bereiche vielleicht kein Problem. Aber jeder sollte überlegen: Wo sind meine drei Prozent, denen ich nicht vertraue.

STANDARD: Aus welchen Bereichen kommen Ihre Experten?

Felgenhauer: Für die Zukunft gibt es keine Experten, da spekulieren alle. Aber sie kommen aus allen Bereichen: Aus der Verwaltung, aus Banken, aus dem Energiebereich, Medien, der Industrie, dem Gewerbe, aber auch Feuerwehr, Polizei, Militär und die Bergrettung sind dabei. Gemeinsam suchen wir nach einem Plan B für den Notfall. Das Internet kann durch intendierte oder unintendierte Fehler ausfallen. Unser ganzer Lebensstil ist davon abhängig.

STANDARD: Was wäre ein persönlicher Plan B?

Felgenhauer: Man muss sich fragen, welche Informationen man nicht digital vorbehalten sollte. Alle haben Geburtsurkunde und Staatsbürgerschaftsnachweis zu Hause. Was brauchen wir noch? Adressen, Kontaktdaten, auch Telefonnummern hat niemand mehr im Kopf.

STANDARD: Kann man überhaupt telefonieren bei einem totalen Internetausfall?

Felgenhauer: Es kann ja auch nur zu lokalen Ausfällen kommen. Oder Krankheitsdaten: Viele Befunde werden heute per Mail verschickt. Wo lagert man die, damit man in 10 Jahren darauf zugreifen kann? Man muss sich fragen, wie sicher eine Cloud wirklich ist.

STANDARD: Wo wären alle besonders betroffen?

Felgenhauer: Nicht nur die Medien und Finanzdienstleistungen würden wegfallen, ein Ausfall wäre für uns alle viel weitreichender: Der Bäcker könnte nicht mehr backen, Melkmaschinen werden vom Internet angesteuert, Energie- und Strombetriebe sind komplett abhängig, der Bahnverkehr würde stehen. Ich habe Vertrauen, dass die Flugsicherung alle Flieger auf den Boden bekäme, das Problem ist: Sie würden dort bleiben.

STANDARD: Haben Einsatzkräfte oder Nahversorger Offline-Szenarien?

Felgenhauer: Nicht alle. Für das Internet kann ich keine Risikomatrix erstellen, weil es keine historischen Daten gibt. Das Problem ist, dass Probleme, die wir nicht abschätzen können, von vielen deswegen gar nicht in ihr Risikobild aufgenommen werden.

STANDARD: Gibt es positive Ausnahmen?

Felgenhauer: Die Wiener Linien oder natürlich das Militär haben einen Internetausfall in ihrem Risikobild. Dass wir gemeinsam nachdenken, ist ein erster Schritt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 6.11.2014)