Zagreb - Es kommt wohl auch das siebte der schlechten Jahre. Kroatien steckt bereits seit sechs Jahren in einer Rezession. Und die kroatische Wirtschaft wird sich laut den Prognosen von Ökonomen auch kommendes Jahr nicht wirklich erholen. Die EU-Kommission hat zudem heuer im Jänner ein Defizitverfahren wegen der Haushaltsüberschuldung eingeleitet und verlangt bis 2016 eine Korrektur. Eigentlich sollte das Haushaltsdefizit heuer bereits auf 4,6 Prozent und 2015 auf 3,5 Prozent des BIP gedrückt werden. 2016 sollte es dann unter drei Prozent liegen. Doch das ist unrealistisch. 2013 lag das Defizit bei 4,9 Prozent. Und dort in der Nähe wird es wohl auch dieses Jahr sein. Die öffentliche Verschuldung lag 2013 bei 66,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Die Illusion des zarten Wachstums

Wird Kroatien 2015 in der Rezession bleiben? "Ja", sagt Vladimir Čavrak kurz und klar. Der kroatische Wirtschaftswissenschafter erwartet auch für kommendes Jahr ein relativ hohes Haushaltsdefizit. Schuld sei vor allem die "Unentschlossenheit der Regierung Strukturreformen zu entwerfen und umzusetzen", so Čavrak zum STANDARD. Bisher war man noch von einem zarten Wachstum im kommenden Jahr ausgegangen, aber dies bleibt wohl eine Illusion. Für den jüngsten EU-Staat wird es wirklich eng. Laut dem Ökonomen von der Universität Zagreb wird es sehr schwierig sein, die Anforderungen der EU-Kommission zu erfüllen.

Reformen nicht "signifikant"

Die Reformen der vergangenen Monate seien einfach nicht "signifikant" gewesen. Dazu gehörte etwa die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge von 13 auf 15 Prozent, zudem wurden die Arbeitnehmerbeiträge in die erste Säule des Pensionssystems transferiert. "Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind aber minimal und werden fast völlig durch den Rückgang der Haushaltseinnahmen im Rahmen der Mehrwertsteuer aufgehoben", so Čavrak.

Die Regierung hat keine Lösungen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern und hat meiner Meinung nach, nicht einmal welche gesucht", so Čavraks Bilanz. Die Regierung könne nur in der Verwaltung bei Löhnen und Materialkosten sparen. Dies sei aber nicht zu erwarten, weil sie damit weiter an Unterstützung verlieren würde - zur Zeit liegt die Zustimmung bei nur 13 Prozent. Gespart werden könne auch noch bei Sozialtransfers und Subventionen.

Warnung vor weiterer Talfahrt

Allerdings sei Kroatien in einer Situation, in der herkömmliche wirtschaftspolitische Maßnahmen auch nur beschränkt Wirkung zeigen würden. "In einer kleinen und offenen Volkswirtschaft hat eine expansive Geld- und Fiskalpolitik nur begrenzte Wirkung", so der Wissenschafter. Weil Kroatien in allen Sektoren zudem verschuldet ist, seien auch die Möglichkeiten einer Wechselkurspolitik limitiert. "Eine Politik der internen Abwertung hat eine rezessionsfördernde Wirkung und verlängert die Depression und Deflation", meint der Ökonom. Čavrak warnt vor einer weiteren Talfahrt: "Es gibt eine echte Gefahr, dass die kroatische Wirtschaft in eine negative Spirale von Depression und steigender Arbeitslosigkeit, steigenden Schulden und Deflation hineinkommt."

Čavrak empfiehlt eine vorsichtige Reflationspolitik der Zentralbank. Diese sollte mit einer selektiven Fiskalpolitik zur Ankurbelung des Konsums koordiniert werden. Čavrak schlägt auch vor, unnötige öffentliche Ausgaben einzusparen, indem man etwa die Verwaltungsstrukturen der Landkreise (im Kroatischen "županija") und einiger Gemeinden und kleinerer Städte auflöst. Das könnte einen "positiven institutionellen Schock" auslösen. Čavrak mahnt zudem dringend eine Reform des Gesundheits- und Sozialsystems ein. (awö, derStandard.at, 10.11.2014