"Es gibt keine einfache, einzige Lösung in der Krise", sagte Eurokommissar Pierre Moscovici zu Kollege Jyrki Katainen.

Brüssel - Den meisten Ländern in der Europäischen Union stehen wirtschaftlich bis 2016 zwei Zitterjahre bevor, insbesondere in der Eurozone: Das Wachstum fällt 2014 mit 0,8 Prozent und 1,1 Prozent im nächsten Jahr deutlich geringer aus als noch im Frühjahr (1,2 bzw. 1,7 Prozent) prognostiziert.

Besser, aber nicht berauschend läuft es in der EU-28: Die Wirtschaft wird um 1,3 Prozent (statt 1,6) bzw. 2015 um 1,5 (statt zwei) Prozent wachsen. Das geht aus der Herbstprognose der EU-Kommission hervor, die Dienstag in Brüssel vom neuen Vizepräsidenten für Wachstum und Investitionen, Jyrki Katainen, und seinem Nachfolger als Wirtschafts- und Währungskommissar, Pierre Moscovici, präsentiert wurde. Erst 2016 soll es wieder deutlich bergauf gehen, nach "einer langsamen Rückkehr zu bescheidenem Wachstum", wie die Experten schrieben.

Österreich bleibt zurück

Bitter für Österreich: Die Prognosen sind klar unter früheren Erwartungen. 2014 soll das Wachstum um ein Drittel weniger betragen (0,7 Prozent statt 1,6 Prozent), was auch noch von einem sprunghaften Anstieg der Staatsschuld von 80,3 auf 87 Prozent der Wertschöpfung (BIP) begleitet ist (Folge auch der Kosten für Hypo Kärnten). Die Staatsschuld wird auch in der Eurozone 2015 noch einmal auf einen Rekordstand von durchschnittlich 94,8 Prozent ansteigen. Katainen und Moscovici arbeiteten jedoch beträchtliche Unterschiede der Lage zwischen den Euro- und EU-Staaten heraus. So sind die Wachstumserwartungen in Deutschland - trotz Exportbooms - erstmals wieder schwach.

Es wird zu wenig konsumiert, zu viel gespart in Deutschland. Die Wirtschaft dürfte 2015 nur noch um 1,1 Prozent wachsen (statt um zwei Prozent). Und es wird in Europa generell viel zu wenig investiert, erklärte Moscovivi, das Niveau liege noch unter jenem vor Ausbruch der Krise 2008. Ein Hauptproblem ist Frankreich: Die Wirtschaft wächst nicht (0,3 bzw. 0,7 Prozent), die Schulden gehen hoch gegen 100 Prozent des BIP.

Erholung im Süden

Dennoch verzeichnen die Ökonomen in der Kommission auch Lichtblicke. So wird Irland, das noch vor drei Jahren vor der Pleite stand und massive Eurohilfen brauchte, 2015 mehr als drei Prozent Wachstum generieren, Polen (2,8) oder Großbritannien (2,7) knapp unter drei Prozent.

Spanien erholt sich (plus 1,7), auch in Griechenland nimmt die Wirtschaft nach sechs Jahren der Rezession Fahrt auf, wächst 2015 um 2,9 Prozent, 2016 sogar um 3,7 Prozent. Die Gesamtschuld in Athen soll sich von 175 Prozent des BIP auf 157 Prozent im Jahr 2016 verringern, noch immer extrem hoch, aber stark verbessert. Es zeigt sich wie in Spanien und schwächer auch in Portugal, dass die Restrukturierungen greifen. Aber das Hauptproblem in Europa bleibt die Arbeitslosigkeit, die sich bis 2016 nur geringfügig verringern wird: Die Quote in der Eurozone wird weiterhin über elf Prozent liegen, in der EU über zehn. Deutlich schlechtere Zahlen weist Österreich auf: Hier wird der Anteil der Arbeitslosen 2014 von 4,8 auf 5,3 Prozent signifikant ansteigen, auch 2015 zunehmen und erst 2016 wieder auf fünf Prozent fallen. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 5.11.2014)