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Eine Frau protestiert gegen Korruption in Mexiko.

Foto: REUTERS/Jorge Carballo

STANDARD: Sie haben eigentlich als Menschenrechtsexperte angefangen und unter anderem den Friedensprozess in El Salvador begleitet. Wie kam der Sprung zur Korruptionsbekämpfung?

Ugaz: Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Menschenrechtsverletzungen und einem hohen Grad an Korruption in den Sicherheitskräften und der Justiz. Richtig akut wurde das aber erst, als in Peru im Jahr 2000 ein Video auftauchte, in dem Montesinos (der damalige Geheimdienstchef Vladimiro) einem Kongressabgeordneten Geldbündel zusteckte. Da ernannte mich der damalige Justizminister zum Ad-hoc-Staatsanwalt, um die Korruption zu bekämpfen.

STANDARD: Wo wollen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit bei TI setzen?

Ugaz: Viele unserer Länderbüros haben bereits sehr erfolgreich auf Gebieten wie der Prävention oder der Strafverfolgung gearbeitet. Diese Erfahrungen möchten wir systematisieren, ausweiten und für alle zugänglich machen.

STANDARD: Welche Erfahrungen sind das?

Ugaz: Da gibt es viele, zum Beispiel die Schaffung von Kommissionen, um der Regierung auf die Finger zu schauen und sie zu Transparenz zu zwingen. Oder Verfahren gegen korrupte Politiker wie das in Frankreich gegen den Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang. Dort ist es uns gelungen, sein Vermögen einzufrieren. Auch gegen Persönlichkeiten aus Russland oder Tunesien laufen solche Verfahren. Oder in Hongkong wurde eine unabhängige Antikorruptionskommission eingerichtet, die gleich als Erstes den obersten Polizeichef ins Gefängnis steckte, aber auch neue Lehrpläne ausarbeitete, in denen Ethik und Transparenz vorkamen, und Gesetzeslücken schloss.

STANDARD: Eines der korruptesten Länder in Lateinamerika ist Mexiko. Da gibt es zwar eine Menge Gesetze, aber sie werden nicht angewandt.

Ugaz: Das ist ein allgemeines Phänomen. Mexiko ist aber besonders kompliziert, weil der Staat Boden verloren hat gegenüber dem organisierten Verbrechen. Die Mafia kann heute den Staat herausfordern. Diese institutionelle Schwäche muss dringend behoben werden. Und das geht nur, wenn alle Staatsdiener, die die Seite gewechselt haben, bestraft werden. Man muss also der Straffreiheit ein Ende setzen, denn sonst wiederholt sich das gleiche Spiel immer wieder von vorn.

STANDARD: Versagt aber nicht auch die Gesellschaft? Zumindest in Lateinamerika herrscht eine hohe Toleranz gegenüber der Korruption.

Ugaz: Ja, in Peru gaben neulich 55 Prozent an, ihnen sei es egal, wenn ein Politiker stehle, solange er öffentliche Bauten hinstelle. Und das nehmen sie beim Wort, entsprechende Politiker wurden bei den Regionalwahlen vor einigen Wochen gewählt. In Afrika und Asien sieht es ähnlich aus. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen entwickelten und unterentwickelten Staaten ist eine Kultur der Legalität, und das hat mit der Bildung zu tun. In Lateinamerika stammt diese Toleranz aus der Kolonialzeit, denn die spanischen Kolonialherren, die nach Lateinamerika kamen, hatten ihren Posten gekauft und wollten so viel Geld wie möglich aus der Kolonie herausholen. Dafür errichteten
sie klientelistische Systeme. Doch mit entsprechenden Gesetzen und einer Sensibilisierung der Bevölkerung kann man diese Tradition ändern.

STANDARD: Nun gibt es ja nicht nur korrupte Dritte-Welt-Staaten, sondern auch westliche Firmen, die korrumpieren, und Banken, die das Geld waschen. Was wird gegen sie unternommen?

Ugaz: Das wird einer der Schwerpunkte unserer Präsidentschaft werden. Wir haben ja schon einen Index der Bestecherfirmen und wollen nun verstärkt die Geldwäsche bekämpfen und uns für Transparenz in der Finanzwelt einsetzen. Eines unserer großen Ziele sind die Offshorefirmen und Paradiese, in denen die Korrupten ihre Schwarzgelder waschen und verstecken. Wir haben bereits mit den G-20-Staaten über ein öffentlich zugängliches Register gesprochen, in dem die eigentlichen Eigentümer dieser Firmen verzeichnet sind. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 4.11.2014)