Die DDR-Grenzer rund um Harald Schäfer (Charly Hübner, stehend, Zweiter von links) können nicht glauben, was sie am 9. 11. 1989 vor dem Schlagbaum sehen: DDR-Bürger, die in den Westen wollen.

Foto: ARD

Putzig, dieser herrenlose Mischlingshund. Er sorgt allerdings für ein Problem. Um 18.30 Uhr des 9. November 1989 dringt er - vom Westen her kommend - unerlaubt in den Grenzübergang Bornholmer Straße in Ostberlin ein.

Eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, welch absurde Maschinerie dieser kleine Hund mit seiner Grenzverletzung in Gang setzt. Protokolle müssen geschrieben werden, es braucht ein Gesundheitszeugnis, es wütet der ganze Wahnsinn der DDR-Bürokratie. Oberstleutnant Harald Schäfer, der Chef des Grenzpostens, ist ohnehin gestresst, Blähungen martern ihn. Dabei steht ihm die Aufregung seines Lebens noch bevor: der Fall der Berliner Mauer.

"Bornholmer Straße" heißt die Tragikomödie, die die ARD am Mittwoch um 20.15 zeigt. Erzählt werden die Stunden von 18.30 bis 23.30 Uhr am gleichnamigen Berliner Grenzübergang, wo sich am 9. November 1989 zehntausende DDR-Bürger versammelten, weil zuvor Politbüro-Mitglied Günther Schabowski Reisefreiheit für alle DDR-Bürger im TV verkündet hatte.

Minütlich werden es mehr. Sie brüllen "Macht das Tor auf", drängen gegen die Absperrungen. Ein paar von ihnen rücken kurz in den Fokus, als sie rüberdürfen. Dennoch ist es nicht ihr Film.

Nöte eines Mannes

"Bornholmer Straße" rückt den Grenzer Harald Schäfer in den Mittelpunkt. Im wahren Leben heißt er Harald Jäger. Er gilt als der Mann, der tatsächlich die Berliner Mauer öffnete. Der Film, der auf seinen Erinnerungen basiert, schildert die Nöte eines Mannes, der ein Leben lang der DDR treu gedient hat und nun - nach Schabowskis "geistigem Dünnschiss" von der angeblichen Grenzöffnung - auf einen Befehl von oben wartet. Doch den bekommt er den ganzen Abend lang nicht.

Gespielt wird Schäfer von Charly Hübner, bekannt als Kommissar Sascha Buckow aus dem Rostocker "Polizeiruf 110". Ein Glücksfall für diese Geschichtsstunde. Hübner schleppt seinen zerrissenen Grenzer treu und zweifelnd, aber auch standhaft und achtsam durch den mit Rüschengardinen, abgehängtem Honeckerporträt und staubigen Topfpflanzen perfekt nachgezeichneten DDR-Grenzmief. Am Schluss, als er den Schlagbaum öffnet, sagt er: "Ich habe heute ohne Befehl die Grenze geöffnet. 28 Jahre habe ich sie bewacht wie mein eigenes Kind." Und das ohne Pathos, sondern ganz nüchtern und kaputt. Irgendeinen Fernsehpreis muss Hübner für diese Rolle bekommen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 4.11.2014)