Duett mit Rauch: Wilhelm Leibls "Die junge Pariserin" (1869) und ...

Foto: Wallraf-Richartz Museum / Foundation Corboud, Köln

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... August Sanders "Sekretärin beim Westdeutschen Rundfunk in Köln" (1931).

Foto: Sander-Archiv, Köln

Salzburg - Verblüffend, wie sehr einander ihre Motive gleichen, ihre Sicht auf Alltagsszenen, Menschen, Dinge und Landschaften; doch der eine - Wilhelm Leibl (1844-1900) - malte, was der andere - August Sander (1876- 1964) - fotografierte. Kennengelernt haben einander die beiden außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeiten nie. Leibl starb 1900 an Wassersucht, da war Sander gerade einmal knapp über zwanzig.

Geboren 1844 in Köln, absolvierte Leibl zunächst eine Schlosserlehre, ehe er zum "größten Bildnismaler seit Rembrandt" wurde. Sein Credo: "Man male den Menschen, so wie er ist, da ist die Seele ohnehin dabei." Leibl wurde zum gewissenhaften und detailgenauen Chronisten der Wirklichkeit, er war kein malender Idealist. Ihn interessierte das wahre Leben, nicht die verklärte Idylle. Gleichzeitig war er ein Meister der malerischen Umsetzung.

Ärger verbeißen

Mit Gleichgesinnten gründete er in München den "Leibl-Kreis", zu seinen Mitstreitern zählten unter anderem Carl Schuch, Theodor Alt und Hans Thoma. Ab Mitte der 1870er-Jahre zog er sich mit dem Malerkollegen Johann Sperl in die oberbayrische Provinz zurück. "Ich habe", klagte er seiner Mutter, "immer gearbeitet und in den dürftigsten Verhältnissen gelebt und den Ärger zu verbeißen gehabt, meine Ansichten misskannt und verachtet zu sehen." Die Anerkennung kam spät: 1892 wurde er vom Prinzregent Luitpold von Bayern zum königlichen Professor ernannt.

Realistisch und ungeschönt: Wie Leibl war auch August Sander, dessen Todestag sich im April zum fünfzigsten Mal jährte, der Wahrheit verpflichtet. Geboren 1876 in der Rheinprovinz, experimentierte der Meister der neuen Sachlichkeit mit den Möglichkeiten der noch jungen Kunstform Fotografie. Er beschäftigte sich mit Industriearchitektur, mit Stadt- und Landleben und der Natur, vor allem aber mit Gesichtern. Nicht um das einzelne Individuum ging es ihm dabei, sondern um Archetypen. Mit seinem Bildatlas Menschen des 20. Jahrhunderts schrieb Sander Fotografiegeschichte.

Von Mensch zu Mensch heißt nun also die Zusammenführung von Leibls Ölgemälden und Sanders Fotografien im Salzburg-Museum. Sie ist Teil eines größeren Projekts: Jedes Jahr, erläutert Museumsdirektor Martin Hochleitner, wird eine wichtige Partnerinstitution nach Salzburg eingeladen.

Die Leibl-Sander-Schau wurde vom Wallraf-Richartz-Museum in Köln gemeinsam mit der Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur Köln konzipiert und realisiert: Es ist ein intim inszeniertes Kammerspiel in dunkel gehaltenen Räumen. Eng an eng Sanders Fotografien und Leibls Ölgemälde, zehn und mehr in einer Reihe, nach neun so einfachen wie sinnigen Szenen geordnet: Söhne und Väter, Posieren, Künstlerköpfe, Archetypen, Melancholia, Innen- und Außenwelten, Zuversicht.

Mitunter scheint es, als habe Sander die Malerei Leibls geradezu als Vorlage verwendet, so frappant ähneln einander die Sujets, die Themen und künstlerischen Inszenierungen, die Lichtsetzungen, Stimmungen, die Körpersprachen und die Porträts über Medien und Epochen hinweg.

Einfache Bauersleute, Jäger, Feldarbeiter, Theater- und Opernstars, Bohemiens, mondäne Damen der Gesellschaft geben Aufschluss über gesellschafts- und gechlechterspezifische, zeittypische Rollenbilder.

Kostspielige Kooperationen

Die für nächstes Jahr geplante Kooperation mit Kopenhagen musste Hochleitner nicht zuletzt aus budgetären Gründen verschieben. Denn diese grenzüberschreitenden Museumskollaborationen sind gut - und teuer.

Kostspielig wird aber auch das Jubiläumsjahr 2016, wenn Salzburg 200 Jahre Zugehörigkeit zu Österreich feiert. Mit der Ausstellung Erzähl mir Salzburg will das Salzburg-Museum Fragen nach Identitäten, nach Migration, nach Konstruktion von Geschichte aufwerfen. Und es will ein paar jener weltweit verstreuten Kunstschätze, die einst Salzburg gehörten, im Jubiläumsjahr an die Salzach zurückholen. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 4.11.2014)