Tel Aviv - Der israelische Ex-Präsident Shimon Peres hat der eigenen Regierung indirekt fehlenden Friedenswillen vorgeworfen. Wer dem Friedensprozess entsage, lebe "in einer Illusion" und sei "kein Patriot", sagte Peres am Samstag bei einer Gedenkveranstaltung für den 1995 ermordeten Regierungschef Yitzhak Rabin in Tel Aviv.

"Es ist eine Schande, dass die einzige Friedensinitiative eine arabische Initiative war. Wo ist die israelische Friedensinitiative?", fragte Peres und warnte zugleich davor, dass die "Zeit gegen uns" läuft.

Peres bezog sich auf die saudi-arabische Friedensinitiative von 2002. Diese sah vor, dass Israel sich komplett aus den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem, zurückziehen sollte. Im Gegenzug sollten die arabischen Staaten ihre Beziehungen mit Israel normalisieren. Derzeit liegt der Friedensprozess auf Eis.

Peres sprach anlässlich des 19. Todestages von Rabin. Rabin war am 4. November 1995 bei einer Friedenskundgebung von einem jüdischen Extremisten erschossen worden. Rabin hatte den Friedensprozess mit den Palästinensern vorangetrieben; nur zwei Jahre vor dem Anschlag hatten sich Rabin und der damalige Palästinenserführer Yasser Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses in Washington zu einem historischen Handschlag bereit gefunden. Rabin, Peres und Arafat erhielten 1994 gemeinsam den Friedensnobelpreis.

Konflikt intesivierte sich wieder

Die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern haben in jüngster Zeit wieder stark zugenommen. In Ostjerusalem gab es in den vergangenen Tagen schwere Zusammenstöße. Zum Freitagsgebet blieb die Lage vergleichsweise ruhig. Der Tempelberg war am Donnerstag abgeriegelt worden, nachdem der jüdische Ultranationalist Yehuda Glick in Jerusalem angeschossen und der mutmaßliche palästinensische Schütze von der Polizei getötet worden war. Glick hatte zuvor einen Vortrag über jüdische Ansprüche auf den Tempelberg gehalten. Die darauf folgenden Gewalteskalation erinnerte an den Beginn des zweiten Palästinenser-Aufstands (Intifada) 2000-2005.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu rief die Abgeordneten zur Zurückhaltung auf, nachdem Likud-Parlamentarier Moshe Feiglin seine Absicht bekundet hatte, am Sonntag in der Früh demonstrativ den Tempelberg zu besuchen; Feiglin will sich dafür einsetzen, dass auch Juden dort beten dürfen. Juden dürfen auf den Tempelberg, aber dort zu beten ist ihnen aus Furcht vor Zwischenfällen derzeit untersagt. Netanyahu hatte mehrfach bekräftigt, an dem Verbot festhalten zu wollen. In einem Schreiben an Parlamentspräsident Yuli Edelstein warb Netanyahu dafür, dass Edelstein die Abgeordneten zur Zurückhaltung anhält. (APA, 2.11.2014)