Ich kann nicht auftreten wie Strache, befand Neos-Chef Matthias Strolz vor zwei Wochen in einem STANDARD-Interview. Aber doch - wie sein ZiB 2-Auftritt in dieser Woche gezeigt hat. Wie eine beleidigte Leberwurst reagierte Strolz auf Fragen nach dem umstrittenen Beschluss zur Cannabis-Legalisierung. Gereizt warf er Armin Wolf vor, ihn nicht zur Bildungspolitik zu befragen, und fragte, ob dieser auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig im Studio dazu verhört habe.

Der Umgang mit Cannabis, ein in der Kronen Zeitung abgedrucktes Gedicht über Kastanien (Du bist mein Schatz) und ein Auftritt im Bademantel im Stil von Udo Jürgens waren die Themen, mit denen Strolz in jüngster Vergangenheit auffiel. Damit macht sich der ehemalige Unternehmensberater nicht nur in der Öffentlichkeit lächerlich, sondern es offenbart das größte Defizit der Neos: Es fehlt an Positionierungen und an Programmatik, mit denen man als Partei ernst genommen wird.

Diese Woche jährte sich die Gründung der Neos zum zweiten Mal. Die Neos wurden bei der Nationalratswahl als frische Kraft wahrgenommen, weshalb ihnen Vorschussvertrauen entgegengebracht wurde. Wofür diese Partei in vielen Bereichen steht, dürfte selbst Wählerinnen und Wählern, die den Neos ihre Stimme gegeben haben, noch immer nicht klar sein. Für sie votierten Bürger, die noch immer interessiert waren am politischen Geschehen und genug hatten von den Beharrungskräften in ÖVP und SPÖ, denen die FPÖ gesellschaftspolitisch und in Ausländerfragen zu weit rechts und die Grünen zu ordnungspolitisch und strukturell festgefahren schienen.

Dass die zentralen Figuren Strolz und Beate Meinl-Reisinger früher für die ÖVP gearbeitet haben, war kein Zufall: Man wollte vor allem enttäuschte ÖVP-Wähler ansprechen. Die neue Partei fand auch im Dunstkreis der Industriellenvereinigung Unterstützung.

Von der damaligen Euphorie ist nicht mehr viel übrig geblieben. Je konkreter die Neos Politikfelder besetzen mussten, desto schwieriger wurde es. In der Bildungspolitik gelang es ihnen noch am ehesten, eigenes Programm und Profil zu entwickeln. In der Wirtschafts- und Steuerpolitik gibt es wahrnehmbar keine Positionen, mit denen die Neos im politischen Diskurs aufgefallen wären - was nicht nur die Schuld der Medien ist. Allenfalls Aussagen zur Privatisierung des Wassers und zur Abschaffung des sozialen Wohnbaus waren konkret und prägten das Bild einer neoliberalen Partei.

Dabei bemühte sich Strolz, in anderen Bereichen allzu starke Festlegungen zu vermeiden - auch mit Blick auf potenzielle Wähler aus dem ÖVP-Lager. In der Religionsfrage wurde Pastafari-Aktivist Niko Alm von Strolz zurückgepfiffen und als Sprecher abgesetzt, die Positionen zur Homo-Ehe blieben diffus. Doch die ÖVP wird unter dem neuen Parteichef Reinhold Mitterlehner liberaler wahrgenommen als unter Michael Spindelegger.

Die Neos machen einen Prozess durch, den die Grünen vor mehr als zwanzig Jahren zu absolvieren hatten: ihre Positionen als Partei zu definieren, Flügelkämpfe auszufechten und ein Programm zu entwickeln. Dass vieles davon in Regierungsverantwortung anders zu sehen ist, diese Erfahrung machen die Grünen jetzt. Bleiben die Neos bei Nebenthemen, werden sie das Schicksal des Liberalen Forums erleiden. Anders zu sein reicht nicht. Die Wirklichkeit ist immer konkret. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 31.10.2014)