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Fühlen Sie sich von diesem Bild abgestoßen? Lautet die Antwort Ja, und ein fMRI-Scan Ihres Gehirns gelangt zum selben Ergebnis, dann stehen Sie politisch mit hoher Wahrscheinlichkeit rechts der Mitte.

Foto: AP Photo/Kirsty Wigglesworth

Roanoke/Wien - Politische Akteure und Wähler finden die Vorstellung gleichermaßen unerträglich: dass nicht unser rationaler Geist, sondern die Biologie die Grundlage dafür liefert, wo wir am Wahltag unser Kreuz machen. Und doch häuften sich zuletzt Studien auf solider wissenschaftlicher Basis, die darauf hinweisen, dass genau das der Fall sein könnte.

Der offenbar profunde Einfluss elementarer biologischer Vorgänge auf die politische Orientierung wurde in einer nun im Fachblatt "Current Biology" veröffentlichten Untersuchung erneut bestätigt. Mehr noch: Es zeigte sich, dass mit einer simplen medizinischen Untersuchungsmethode festzustellen ist, ob jemand eine konservative oder eine liberale Grundhaltung einnimmt. Alles, was man dafür benötigt, sind ein Tomograf und einige Bilder mit Maden, Tierkadavern oder ähnlich ekelerregenden Motiven.

Die Wissenschafter vom Virginia Tech Carilion Research Institute waren sogar selbst von der Treffsicherheit ihres Verfahrens überrascht: "Erstaunlicherweise zeigte sich, dass bereits ein einziges abstoßendes Bild ausreicht, um die politische Einstellung einer Testperson mit 95- bis 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorherzusagen", erklärte P. Read Montague, der die internationale Forschergruppe leitete.

Der Untersuchungsablauf sah folgendermaßen aus: Die Wissenschafter legten 83 Testpersonen in einen Magnetresonanztomografen und führten ihnen Bilderserien mit abstoßenden, bedrohlichen, erfreulichen sowie neutralen Inhalten vor. Nach dem Scan gaben die Teilnehmer ihre Meinung zu den Bildern ab und absolvierten einen standardisierten Test zur Ermittlung der jeweiligen politischen Orientierung.

Unbewusster Ekel

Liberale und Konservative - so das Ergebnis der Befragungen - zeigten kaum Unterschiede in ihrem bewussten Urteil über das Gesehene. Alle empfanden die Ekelbilder gleichermaßen abstoßend. Die fMRI-Scans dagegen sprachen eine völlig andere Sprache: Die Ekelmotive provozierten in den Gehirnen der konservativ eingestellten Probanden durchwegs heftigere Reaktionen als bei den liberalen Teilnehmern.

Aus den Ergebnissen schließen die Forscher, dass zumindest die rudimentären Grundlagen unserer politischen Orientierung in unser Gehirn eingeschrieben sind. Dies habe vermutlich damit zu tun, wie unser Körper spontan auf Bedrohung reagiert, vermutet Montague.

Also ist uns die politische Haltung unveränderlich einprogrammiert? Nicht ganz, meinen die Forscher. Kulturelle und sozioökonomische Faktoren sowie nicht zuletzt bewusste rationale Entscheidungen spielen sehr wohl wichtige Rollen dabei, wie wir unser politisches Handeln gestalten. Und welche Lehren lassen sich daraus für den nächsten Wahltag ziehen? Für Montague ist die Antwort eindeutig: "Nicht instinktiv reagieren, sondern erst nachdenken!" Aber um das zu wissen, muss man nicht unbedingt Gehirnforscher sein. (tberg, DER STANDARD, 31.10.2014)