Für die 500.000 Handelsangestellten ist es vermutlich ein Glück, dass sie erst nächstes Jahr um eine Lohnerhöhung feilschen müssen. Denn als Zugpferd taugt der neue Kollektivvertrag für 120.000 Beschäftigte der Maschinen- und Metallwarenindustrie nur bedingt. Deshalb brauchen die anderen Metallbranchen wie Bergbau/Stahl, Gießereien und Fahrzeugindustrie die in der Nacht auf Mittwoch fixierte Lohnerhöhung um 2,1 Prozent als Vorgabe auch nicht zu fürchten. Sie werden zu ähnlichen Ergebnissen kommen, denn wirtschaftliches Umfeld und im EU-Vergleich hohe Inflation geben im Moment nicht mehr her.

Vor diesem Hintergrund ist das öffentlich inszenierte, rituelle Feilschen um Prozente, tunlichst bis spät in die Nacht hinein, entbehrlich. Denn gemäß "Benya-Formel" (Inflation plus halber Produktivitätsfortschritt) ist die Höhe des Abschlusses exakt prognostizierbar.

Sitzfleisch und Eile sind hingegen in Sachen Steuerreform notwendig. Denn im Gegensatz zu den Arbeitgebern, die höhere Kosten haben, werden die unselbstständig Erwerbstätigen von der erstrittenen Erhöhung nichts spüren. Von jedem zusätzlichen Euro kassiert fast die Hälfte automatisch der Staat. Den Rest besorgen Inflation und kalte Progression, sodass von der Reallohnsteigerung und Kaufkraftstärkung nichts bleibt. Beim "Gewinn für die Menschen", als den Sozialminister Rudolf Hundstorfer den Abschluss pries, handelt es sich also um jenen vor Steuern. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 30.10.2014)