Klagenfurt/Wien - Der Vorstandsvorsitzende der Hypo Alpe-Adria-Bank, Alexander Picker, hat am Mittwoch im Hypo-Zivilprozess am Landesgericht Klagenfurt massive Vorwürfe gegen das Management und die Strukturen der Hypo in den Jahren vor 2010 erhoben. Die schweren Mängel bei der Kreditvergabe sieht er als Gesamtverantwortung des Vorstandes und speziell des Vorstandsvorsitzenden, aber auch des Aufsichtsrats.

Im dritten Anlauf hat die Befragung Pickers als Parteienvertreter am Mittwoch nun doch geklappt. Sie wurde mittels Beamer auf eine Leinwand übertragen, damit die Parteienvertreter an ihren Arbeitstischen sitzen bleiben und den Hypo-Vorstand von Angesicht zu Angesicht sehen konnten. Am Montag hatten die Anwälte noch vorne sitzen wollen und dort auch Tische und Steckdosen gefordert.

Richter Thomas Liensberger stellte neuerlich die Frage nach dem "kollusiven Zusammenwirken" von Organen. Darunter verstehe er, dass Organe zusammengearbeitet haben, um einen Schaden zwar nicht bewusst herbeizuführen, aber auch zumindest nicht zu verhindern. Dies ergebe sich für ihn aufgrund des Aktenstudiums und der Aktenlage, antwortete Picker. Namentlich konnte er jedoch dafür keine Person konkret verantwortlich machen. Picker ortete schwere Mängel von den Kreditvergaben bis zum Verkauf der Consultants-Gruppe, der Gestion und Freigabe der Sicherheiten bis zur Entlastung. Es seien für 2007 unzureichende Einzelwertberichtigungen für die Consultants-Kredite gebildet worden.

Nicht zulässig

Diese hätten den 2007 ausgewiesenen Gewinn überstiegen, daher sei die Ausschüttung der Sonderdividende auch nicht zulässig gewesen, sagte der Hypo-Vorstand. Die Rückzahlung dieser Sonderdividende wird von der Hypo eingeklagt.

Weiters sagte Picker, er habe aufgrund seiner beruflichen Erfahrung einen breiten Einblick in die Kreditgeschäfte am Balkan und könne unterschiedliche Standards vergleichen. Während 2007 beispielsweise die Unicredit, für die er zu diesem Zeitpunkt am Balkan tätig gewesen sei, bereits strenge Kreditstandards bezüglich Bewertung und Vergaben - Stichwort: Vier-Augen-Prinzip - gehabt habe, habe es diese Standards in der Hypo in Belgrad nicht gegeben.

So seien in der Hypo Bewertungen und Sicherheiten für die Projektberechnungen "reine Hoffnungswerte" gewesen, ihnen sei kein realer Marktwert zugrunde gelegen, erläuterte Picker. Er erzählte von Kunden, die "triumphierend den bewilligten Kreditantrag" der Hypo gezeigt hätten. Er und seine Kollegen hätten sich "stark gewundert, weil wir diese Kreditnehmer aus Mangel an Sicherheiten und Eigenkapital und aus Zweifel an den Projekten abgelehnt haben".

Belastung

Namentlich belastete er einen der Beklagten, den damaligen Leasing-Chef Josef Kircher, über den er erfahren habe, dass dieser eine Kreditentscheidung - allerdings nicht im Rahmen der Consultants - allein getroffen habe. Das sei eine klare Verletzung des Vier-Augen-Prinzips gewesen. Aus Gesprächen mit Mitarbeitern wisse er auch, dass Darlehen auf Druck von Vorständen vergeben worden seien.

Picker sagte auch, es habe eine zu hohe Konzentration bei Immobilienkrediten, vor allem im Cluster Slowenien und Kroatien, gegeben. In dieser Konstellation hätte die Bank einen Stresstest durchführen und für den Fall, dass der Immobilienmarkt fällt, entsprechende Vorsorgen treffen müssen, was nicht passiert sei.

Auf eine entsprechende Frage des Hypo-Anwalts Alexander Klauser erklärte Picker, die Quote des ausfallsgefährdeten Kreditengagements am Balkan betrage derzeit 30 bis 50 Prozent, bei Vergleichsinstituten seien es zehn bis 15 Prozent. Die meisten dieser Kredite seien in der Zeit zwischen 2004 und 2007 vergeben worden.

Die Tagsatzung wurde am Nachmittag mit Formellem fortgesetzt. Picker soll zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorgeladen werden, damit die Parteienvertreter Fragen an ihn stellen können. (APA, 29.10.2014)