Wenn zwei Partner in der Natur einander in ihrer Entwicklung beeinflussen, dann sprechen Biologen von Koevolution. Unter Umständen können beide ohne den jeweils anderen nicht existieren, wie dies beispielsweise bei Männchen und Weibchen derselben Art der Fall ist. Dennoch können sie widerstreitende Interessen haben, dann löst eine neue Anpassung des einen Partners eine entgegenwirkende des anderen aus.

In der sexuellen Koevolution stehen vielfach die Männchen unter besonders hohem Selektionsdruck – sie produzieren viel mehr Spermien als die Weibchen Eizellen und müssen sich in der gleichgeschlechtlichen Konkurrenz durchsetzen. Daher nahmen Forscher an, dass die Männchen in der sexuellen Koevolution mit Veränderungen vorpreschen und die Weibchen erst in der Folge mit eigenen Anpassungen reagieren. Diese Hypothese haben nun Biologen von der Universität Tübingen in Experimenten mit dem Fadenwurm Caenorhabditis remanei überprüft. Zumindest bei dieser Spezies den Würmern ließ sich die Annahme nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil: Die Weibchen erwiesen sich als schneller in der Anpassung an die Bedingungen in den Evolutionsexperimenten.

Strategien gegen die Manipulationen der Männchen

Männchen und Weibchen verfolgen in der Regel verschiedene Ziele bei der Paarung. Männchen produzieren mehr Geschlechtszellen als Weibchen und stehen im Wettbewerb um deren Eizellen. Sie haben Strategien entwickelt, um Mitbewerber auszuschalten und Weibchen zur Paarung zu bewegen. Häufige Paarungen wirken sich jedoch auf die Weibchen negativ aus. "Das ist auch bei den C. remanei-Würmern der Fall, ihre Fitness lässt nach", bestätigt Nadine Timmermeyer vom Institut für Evolution und Ökologie. Durch die Selektion sind die Weibchen bevorzugt, die wirksame Strategien gegen die Manipulationen der Männchen entwickeln.

Um zu testen, welcher Partner ein solches Wettrüsten vorantreibt, haben die Tübinger Wissenschafter im Experiment evolutionäre Prozesse provoziert. Dabei kommt ihnen entgegen, dass die etwa einen Millimeter langen Fadenwürmer unter guten Bedingungen alle drei Tage eine neue Generation hervorbringen. In der ersten Phase des Experiments wurden die Würmer über 20 Generationen hinweg in zwei Gruppen einerseits einer angespannten sexuellen Situation ausgesetzt mit nur einem Weibchen auf fünf Männchen und andererseits einer entspannten Umgebung mit umgekehrtem Geschlechterverhältnis. Die Konfliktsituationen sollen messbare Änderungen bei den Eigenschaften hervorrufen.

In der zweiten Versuchsphase werden die Männchen und Weibchen verschiedener Selektionsvorgaben gekreuzt und die Fitness der verschiedenen Paarungen verglichen. Wenn Koevolution stattgefunden hat, sollten aus der Gruppe mit Weibchen in der Überzahl im Vergleich mit der mehrheitlich männlichen Gruppe weniger resistente Weibchen und weniger konkurrenzstarke, harmlosere Männchen hervorgehen.

Weibchen evolvieren, Männchen bleiben zurück

"Im Experiment veränderten sich keine der erfassten Eigenschaften der Männchen wie etwa die Größe der Spermien, die Weibchen zeigten dagegen mehrere evolutive Veränderungen", sagt Timmermeyer. Beim Paarungsakt verabreicht das Männchen dem Weibchen eine Art Schlafmittel. Die Weibchen, die zuvor einer Männchenüberzahl ausgesetzt waren, überwanden dessen Wirkung schneller. Außerdem erzeugten die Weibchen über ihre Lebenszeit gerechnet mehr Nachwuchs. "In einer sexuellen Konfliktsituation der C. remanei-Würmer evolvieren die weiblichen, nicht jedoch die männlichen Tiere ihre Reproduktionseigenschaften. Die Hypothese lässt sich daher nicht generell bestätigen", fasst die Wissenschafterin die Ergebnisse zusammen. (red, derStandard.at, 7.11.2014)