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Wer im Alter viel reisen oder einfach nur gut leben will, braucht auch eine hohe Pension. Dafür müssen die Menschen aber auch immer länger arbeiten. Schweden zeigt, wie das finanzierbar ist.

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"Fragt man Leute auf der Straße, ob sie genug Pension bekommen, wird jeder Nein sagen."

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"In Europa haben wir ein Riesenmosaik, weil die Systeme unterschiedlich sind und oft zu großzügig."

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STANDARD: In Schweden wurde das Pensionsmodell vor einigen Jahren umgestellt und gilt jetzt als Vorbild. Wie funktioniert Ihr System?

Könberg: Wir haben das System dramatisch verändert. Früher wurden für die Pensionsberechnung die 15 besten Jahre berücksichtigt. Heute wird das Lebenseinkommen herangezogen, womit die Höhe automatisch sinkt. Jetzt gibt es für jeden Schweden ein Pensionskonto, auf das Arbeitgeber und -nehmer einzahlen. Die gesetzliche Pension errechnet sich aus der Summe der auf dem Konto gutgeschriebenen Beiträge. Diese sinkt bei steigender Lebenserwartung, es sei denn, man arbeitet entsprechend länger. Ein Teil der eingezahlten Beträge wird in Fonds veranlagt, die der Arbeitnehmer selbst aussuchen kann. Zusätzlich gibt es die freiwillige betriebliche Rentenversicherung und Privatversicherungen.

STANDARD: Warum wurde der Wechsel notwendig?

Könberg: Aus demografischen Gründen. Man muss kein Einstein sein, um zu verstehen, dass die hohe Geburtenrate in den 1940er-Jahren 60 Jahre später eine hohe Zahl an Pensionisten schafft.

STANDARD: Haben die Schweden diese Veränderungen gern angenommen?

Könberg: Das würde ich so nicht sagen. Der politische Kampf war nicht sehr hart. Aber ich muss sagen, dass die Pensionsfrage jene war, die am kontroversesten diskutiert wurde. Fragt man Leute auf der Straße, ob sie genug Pension bekommen, wird klarerweise jeder Nein sagen.

STANDARD: Ist das System jetzt leichter finanzierbar?

Könberg: Die Finanzierung ist jedenfalls von den Staatsfinanzen entkoppelt. Die Pensionshöhe hängt von der Anzahl der Jahre ab, die man gearbeitet hat. Es muss klar sein, dass wir, wenn wir länger leben und gut leben wollen, auch länger arbeiten gehen müssen. Jedes Jahr bekommt jeder Schwede einen Brief, der ihm zeigt, wie hoch seine Pension ist, wenn er mit 55 oder 60 oder 65 Jahren in Pension geht.

STANDARD: Ist dieser Einblick ein Anreiz, um länger zu arbeiten?

Könberg: Ja. Innerhalb der EU arbeiten die Schweden am längsten. Jeder kann früher in Pension gehen, klar ist dann aber auch, dass er weniger Pension bekommt.

STANDARD: Was muss Europa in der Pensionsdebatte lernen?

Wiedner: Das Thema ist immer das gleiche. Die Zahl der arbeitenden Bevölkerung wird kleiner, die Zahl der Pensionisten größer. In einigen europäischen Ländern kam es infolge der Finanzkrise bereits zu Pensionskürzungen. In Europa haben wir ein Riesenmosaik, weil die Systeme unterschiedlich sind und auch zu großzügig waren. Jetzt gibt es das Bewusstsein, dass man das ändern muss. In Österreich braucht es eine Entwicklung der zweiten und dritten Säule, um den Staat zu entlasten.

STANDARD: Woran mangelt es dieser Entwicklung?

Wiedner: Das Problem ist, dass Einschnitte jetzt gemacht werden müssen, um künftige Generationen abzusichern. Politisch wird das nicht begünstigt, weil es unpopulär ist, das Pensionsalter zu erhöhen oder die Pension zu kürzen. Die Frage ist, wie groß die Bereitschaft, für jene, die erst in 30 Jahren und später in Pension gehen, vorzubauen, heute ist.

STANDARD: Es fehlt ja nicht nur der politische Wille. Länger arbeiten will ja niemand, die Altersarmut will aber auch niemand ...

Wiedner: Interessant ist ja, dass man die junge Generation in dieser Debatte nicht hört. Die hat mit Studieren und Jobsuche andere Probleme. Diese Generation müsste aber stärker darauf drängen, dass sie in dem langfristigen Plan auch berücksichtigt wird. Und der älteren Bevölkerung muss man verdeutlichen, dass sie Einschnitte in Kauf nehmen muss, wenn sie will, dass ihre Kinder und Enkelkinder auch noch in Pension gehen können.

STANDARD: Wächst mit den heutigen Jugendlichen eine Generation heran, die für diese Problematik sensibilisiert ist?

Wiedner: Ja, es kann sein, dass das langsam beginnt. Aber wenn man in den Beruf eintritt, macht man sich nicht Sorgen darüber, wann man zu welchen Konditionen in Pension gehen kann. Ob es eine Betriebspension gibt, sollte aber auch bei Einstellungsgesprächen zur Standardfrage werden.

STANDARD: Wie groß ist der Druck in Schweden, dass Leute für die Pension privat vorsorgen?

Könberg: Viele sagen, der Anteil der Privatversicherungen wird steigen. Ich glaube das nicht, ich glaube, er wird eher abnehmen. Wer länger arbeitet, bekommt auch mehr Geld. Das ist die Botschaft. (INTERVIEW: Bettina Pfluger, DER STANDARD, 24.10.2014)