Die erste große innerägyptische Krise, die Präsident Abdelfattah al-Sisi zu bewältigen hat, erinnert an jene, die ihn selbst im August 2012 zum Armeechef gemacht hat: Damals hatte Präsident Mohammed Morsi auf einen islamistischen Überfall auf einen Militärstützpunkt reagiert, indem er die alte Armeeführung in die Pension schickte und Armeegeheimdienstchef Sisi zum neuen starken Mann der Militärs machte - der ein knappes Jahr später wiederum Morsi absetzte. Einer der Vorwürfe an den Muslimbruder war, dass Morsi die Armee in Sinai nicht so durchgreifen ließ, wie sie das wollte.

Nun bekommen die Ägypter zum ersten Mal vorgeführt, dass die Probleme des Landes mit dem Wechsel an der Spitze nicht verschwunden sind. Die Sicherheitslage hat sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Ägypten hat ein Terrorismusproblem, und seit Monaten findet auf dem Sinai ein Krieg statt, bei dem die ägyptische Armee, die heute im Einklang mit der politischen Führung agiert, noch immer nicht die Oberhand gewonnen hat.

Wie andere vor ihm greift Sisi zum Erklärungsmittel des Komplotts von außen - gemeint sind jene Länder, die die Muslimbrüder unterstützen. Von der US-geführten Allianz, die den "Islamischen Staat" (IS) bekämpft, wünscht er sich, dass sie ihren Terrorismusbegriff erweitert und die Muslimbrüder mit einschließt. Aber auch das wird seine Probleme nicht lösen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 27.10.2014)