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Matthias Strolz.

Foto: APA/Hochmuth

Den Parteien Millionen für politische Akademien nachzuwerfen ist in Zeiten wie diesen nichts als Verschwendung von Steuermitteln. Man nehme sich ein Beispiel an Matthias Strolz. Er war neulich auf der Suche nach dem Sinn, und hat ihn auch gefunden, vergaß er doch nicht, diese Tatsache die "Kronen Zeitung" wissen zu lassen. Mit einem satten "Bing" landete letzte Woche ein Mail von "Neos"-Chef Matthias Strolz (41) im elektronischen Postfach. Darin machte er dem Blatt ein Angebot, dem so poetische Gemüter, wie "Krone"-Redakteure und -ricen nun einmal sind, nicht widerstehen können. Darin behelligte er nicht wie seine Polit-Kollegen mit Aussendungs-Allerlei zum Bundesheer oder der Steuerreform; nein, er befasste sich unter dem Betreff "Herbst-Berührung" in quasi poetischer Form mit dem Werden und Weichen von Kastanien. Dazu lockte dieser alemannische Versucher mit den Worten: "Dieses Gedicht ist mir während meiner Fasten-Woche unter einem Kastanienbaum eingeschossen. Ihr habt am Sonntag ja immer wieder poetische Gedanken an Bord. Vielleicht ist das ja was?" Der wusste genau, dass es leichter ist, die "Krone" mit einem Poem anzufüttern als eine Wildsau mit Kastanien, vorausgesetzt, man wirft sich dazu - vielleicht mit einem satten "Bing" - jedenfalls aber mit ausgebreiteten Armen und weit aufgerissenen Lefzen ins Gras, um sich für die Sonntagsausgabe bunt fotografieren zu lassen.

Denn nur so druckt die "Krone" nicht jedes Gedicht ab. Weniger fein schwingende Parlaments-Polterer mögen ihn für verhuscht halten und mit dem Elaborat möglicherweise wenig anzufangen wissen und es auf eine handfeste Kurkrise in Folge von Unterzuckerung durch Nahrungsentzug schieben - ein fruchtbarer literaturwissenschaftlicher Zugang, wie das Produkt Herbst-Berührung beweist. Strolzens Liebeserklärung an die Kastanie geht so:

Du bist so prall und so glänzend,/ so samten und geschmeidig,/ das füllige Leben und der Abschied. - Geborgen in Stacheln kamst du zur Reife./ Du hast dich geöffnet, um Lebendigkeit zu geben./ Du bist gefallen, um dem Wachsen die Hand zu reichen. - Ich trage dich bei mir,/ Du bist mein Schatz,/ Wir Kinder der Erde, wir lieben dich.

Auf die lyrische Idee, einer Kastanie Glanz und Prallheit anzudichten, muss man erst einmal kommen, und allein um das Bild, wie dieselbe fällt, um dem Wachsen die Hand zu reichen, wird ihn Werner Faymann beim sonntäglichen Studium der "Krone" glühend beneidet haben, bräuchte er doch dringend jemanden, der seiner Partei beim Wachsen die Hand reicht.

Hinter Parlamentsmauern kann man lange warten, dass einen die Muse küsst, hinter Klostermauern geht das rascher. Sieben Tage lang fastete Strolz bei 4 Litern Wasser, Tee und Gemüsesaft am Tag. Keine feste Nahrung, kein Handy, kein TV. Stattdessen Einläufe, Leberwickel, Meditation, Tanz und Stille. Dann aber flugs zur "Kronen Zeitung", denn mit Einläufen kann bald wer dichten, aber was hat er davon, wenn der Auslauf dem Publikum verborgen bleibt?

Hinter Strolz verbirgt sich möglicherweise ein umfangreiches poetisches Werk, denn schon seit 13 Jahren praktiziert der gebürtige Vorarlberger diese Einkehr. In der Stille findet er neben Kastanien auch Energie, wer weiß, wie viele Gedichtzyklen ihm da schon eingeschossen sind, von denen die "Krone" nichts weiß. Gefährlich wird's bei ihm nicht gleich, aber dann umso ärger. "Am dritten Tag schießt die Energie ein. Da könnte ich die Welt umarmen und Bäume ausrupfen!" Nicht dass er also Energie bräuchte. "Energie hab ich eh genug. Aber meine Energie hat normal ja eher was Aufgeganseltes." Also geht der eher unreligiöse Politiker zum Abganseln hinter die Klostermauern von Pernegg. Das ist nichts Religiöses, aber wenn ich in den Sternenhimmel schau, dann ahne ich schon, dass es da etwas gibt. Was er ahnt, verrät er nicht, vielleicht ist es eine Kastanie.

Die Klosterferien sind die abgeschwächte Variante dessen, was er vor drei Jahren als "Visionssuche" im Wienerwald praktizierte, als er allein im Wald fünf Tage fastete, drei Tage nicht einmal einen Schluck trank, eine Nacht durchwachte und dabei in einen trance-ähnlichen Zustand verfiel. Und es kam, wie es kommen musste: Die Konsequenz des nächtlichen Herumirrens ist bekannt. Statt sich rechtzeitig abzuganseln: Strolz beschloss den Gang in die Politik.

Nicht nur als Lyriker, auch als Romancier rupft er Bäume aus. Einen halbfertigen Roman brachte er überdies mit. Inhalt geheim. (Günter Traxler, DER STANDARD, 25./26.10.2014)