Bild nicht mehr verfügbar.

Wien begeht den Equal Pay Day zwei Wochen nach den restlichen Bundesländern. Im Bild: Die Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (li.) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bei einer Straßenaktion der SPÖ-Frauen unter dem Motto "Lohnschere schließen".

Foto: apa

Am Samstag ist es in Wien so weit: Begangen wird der Equal Pay Day, also der Tag im Jahr, ab dem Frauen aufgrund der Gehaltsschere bis Jahresende praktisch unentgeltlich arbeiten. "Begangen und nicht etwa gefeiert", wie die Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) bei der Eröffnung einer Enquete zum Thema "Working Poor, Frauen und Demokratie" in der Wiener Arbeiterkammer betonte. Das Erfreuliche daran: Wien ist zwei Wochen später dran als der Rest von Österreich, wo Frauen schon seit dem 10. Oktober unentgeltlich arbeiten. Die Bundeshauptstadt steht also ein bisschen besser da bei der Gehaltsschere – wie aber sieht es im Detail aus?

"Frauen arbeiten mehr als Männer", sagte Ingrid Moritz, die Leiterin der Frauenabteilung der AK. "Frauen arbeiten im Schnitt 64 Stunden pro Woche, Männer 48", führte sie aus, "weil in der Regel die Frauen die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit leisten." Was dazu führt, dass viele Frauen beruflich Teilzeit arbeiten. Sie sind häufiger in Niedriglohnbranchen beschäftigt, daher trotz Arbeit öfter arm und öfter von Altersarmut betroffen. "Was kann Politik tun, um Frauen aus dieser Armutsspirale herauszubekommen?", fragte Frauenberger sich und die Anwesenden.

Wien ist anders

Eine genaue Kenntnis des Status quo ist hilfreich: "Man kann einiges über Armut in Zahlen sagen", sagte Keynote-Speakerin und Bevölkerungsexperten Käthe Knittler von der Statistik Austria. "Ein Indikator alleine ist aber nie ausreichend." Fest stehe jedenfalls, dass Wien anders ist. Hier gibt es bundesweit die geringsten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Einkommen mit überdurchschnittlich vielen Frauen in Vollzeitarbeit. Das zeigt auch der sogenannte Gleichstellungsmonitor. Die schlechte Nachricht: In Wien sind trotzdem besonders viele Menschen arm.

Die Tücke im Detail

Im Detail verdienen Frauen beim Nettoeinkommen in Vollzeit in Wien um sieben Prozent weniger als Männer, in ganz Österreich aber um 15,9 Prozent. Das zeigt die Verdienststrukturerhebung der Statistik Austria für 2012. Bei den Niedriglöhnen ist der Frauenanteil ebenfalls sehr hoch: Jede fünfte Frau in Wien verdient weniger als 8,64 Euro pro Stunde, österreichweit ist es sogar jede vierte. Doch nicht nur das Einkommen zählt, sondern auch, wie viele Frauen überhaupt in Beschäftigung sind: In Wien sind das vergleichsweise weniger als in anderen Bundesländern. Was laut Käthe Knittler vor allem am hohen Anteil an Studierenden liegt.

Studium und Teilzeit

In Wien stehen weniger Frauen in Teilzeitbeschäftigung als in allen anderen Bundesländern. 15,2 Prozent der Männer in Wien arbeiten Teilzeit – das sind fast doppelt so viele wie in den anderen Bundesländern. Das liege aber nicht etwa an der hohen Bereitschaft von Vätern, in Karenz zu gehen, sagt die Expertin. Sondern ebenfalls daran, dass ein relativ hoher Anteil der Wiener Gesamtbevölkerung studiert: Viele junge Männer besuchen Unis oder Fachhochschulen und arbeiten daneben in Teilzeit.

Mehr Frauen in Teilzeit

Etwa jede zweite Frau in Österreich arbeitet in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, in Wien sind es mit 44 Prozent etwas weniger. Bei den Männern sind es in Wien dagegen nur 14 Prozent, österreichweit 15 Prozent. Was heute "typische" und was "atypische" Beschäftigungen sind, fragte Christine Stelzer-Orthofer von der Universität Linz in ihrem Vortrag. Sie ortet eine "Renaissance der Frage über soziale Polarisierung", seit prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse auch Männer betreffen.

Dass ein weiteres Auseinanderdriften und eine Spaltung in Prekäre und Nichtprekäre die gesamte Gesellschaft verändern wierden, glaubt Armutsforscherin Stelzer-Orthofer: "Je höher der Anteil der Prekären und je geringer deren Perspektiven, umso höher ist auch das Risiko, dass sich die Letztgenannten von den demokratischen Institutionen abwenden oder zumindest das Interesse an einer demokratischen Mitgestaltung verlieren." Sie würden dann seltener wählen gehen und sich weniger politisch engagieren. Das betrifft dann mit Sicherheit alle. (Tanja Paar, dieStandard.at, 24.10.2014)