Ein Teufel, wer das Kleingedruckte liest: Marty (Joshua Burge) sucht in "Buzzard" nach den kleinen Fehlern bei Serviceangeboten.


Foto: Viennale

Ein junger Mann kommt in eine Bank, um sein Konto aufzulösen. Der Vorgang dauert eine Weile, da der Bankangestellte nach Protokoll verfährt und einige Fragen beantwortet werden müssen. Sobald die Sache erledigt ist, hat der Kunde jedoch noch einen weiteren Wunsch: Er möchte ein neues Konto eröffnen, mit demselben kleinen Betrag, den er gerade als Guthaben erhalten hat - und dem Bonus, den die Bank für solche Neueröffnungen vorsieht.

Marty heißt dieser ausgefuchste Held von Joel Potrykus' Film Buzzard, der die vor allem in den USA sehr ausgeprägten Auffassungen von Konsumentenservice für seine Zwecke umadaptiert. Marty findet die Fehler im System: Er tauscht Artikel, die von anderen Leuten stammen, gegen Bares ein oder ernährt sich eine Zeitlang mit Schecks, die von deren rechtmäßigen Empfänger nicht angenommen wurden - sein Auftrag wäre es eigentlich gewesen, diese auszurecherchieren.

Potrykus hat wohlgemerkt keine Komödie gedreht, zumindest nicht im engeren Sinne. Marty ist nicht einmal eine sympathische Figur, sondern ein notorischer Verweigerer, der vor allem an seinen eigenen Vorteil denkt. Als er sich einmal bei seinem nerdigen Kumpel Derek - uneitel verkörpert von Potrykus selbst - in dessen Hobbykeller einnistet, entwickelt er dort ein geradezu Bartleby-haftes Verharrungsvermögen.

Potrykus hat mit Ape bereits vor zwei Jahren ein anarchisches Debüt vorgelegt, das in der Szene eher erfolgloser Stand-up-Comedians angesiedelt war. Joshua Burge, ein Schauspieler mit einem wunderbar expressiven Gesicht, spielte schon damals die Hauptrolle. Nun liefert er mit Marty das treffsichere Porträt eines Mannes, dessen eher intuitive Rebellion durchaus mit einem weit verbreiteten Unbehagen an den unattraktiven Angeboten der Konsumgesellschaft korrespondiert.

Potrykus' Lo-Fi-Stil (er dreht mit denkbar knapp bemessenem Budget von unter einer Million Dollar), der lockere Rhythmus des Erzählens, die Freude an ausgedehnten, absurd-kindischen Einfällen - dies alles lässt den Film als aufrichtiges Werk erscheinen, das in seiner Haltung durchaus an alte Punk-Tugenden erinnert.

Dabei arbeitet sich Buzzard fast unmerklich in immer ambivalentere Bereiche vor und zeigt, was es bedeuten kann, aus den Reihen der Gesellschaft herauszufallen. Irgendwann bleibt Marty nur noch seine nackte Wut auf einen diffusen Feind, der sich zwar in tausenden Filialen manifestiert, aber letztlich unangreifbar bleibt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 25.10.2014)