Die Gründung des Instituts für Höhere Studien (IHS) durch die beiden großen Exilwissenschafter Paul Lazarsfeld und Oscar Morgenstern 1963 bot Österreich die Chance, etwas von der durch die NS-Herrschaft zerstörten Bedeutung in den Sozialwissenschaften wiederzugewinnen. In den vergangenen 50 Jahren wurde dieses Geschenk an die Republik nach und nach verschleudert. Unter Bernhard Felderer wurden viele Gebiete vernachlässigt, aber zumindest blieb bis 2012 das IHS eine gewichtige Stimme in der Wirtschaftsforschung.

Unter seinem Nachfolger Christian Keuschnigg war auch das in Gefahr. Der Teilzeitdirektor - er behielt seine Professur in St. Gallen - konnte weder nach außen noch nach innen eine Antwort auf die Frage geben, wozu man das IHS braucht. Sein Reformkonzept hätte das Institut zu einem reinen Auftragsempfänger der Wirtschaft reduziert. Sein - wohl nicht ganz freiwilliger - Rücktritt bietet dem Institut daher nun eine Chance für einen Neubeginn.

Österreich könnte ein hochkarätiges interdisziplinäres Forschungsinstitut abseits der Universitäten, ein sozialwissenschaftliches Gegenstück zum IST Austria in Gugging, gut gebrauchen. Doch um dieses Potenzial zu erfüllen, muss sich vieles ändern - auch im Kuratorium, wo zuletzt Proporz mehr gezählt hat als wissenschaftliche Exzellenz. Ist das nicht möglich, dann sollte das IHS zusperren - und für eine ganz neue Institution den Platz räumen. (Eric Frey, DER STANDARD, 24.10.2014)