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Einkaufen in Russland hat sich merklich verteuert.

Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko

In leuchtendem Rot verkünden die Kurstafeln vor den Moskauer Bankfilialen beinahe täglich neue Rekorde. Die meisten Russen freilich würden auf diese Rekorde gern verzichten: Für einen Dollar müssen sie inzwischen über 41 Rubel hinlegen, der Euro kostet gar fast 53 Rubel und ist damit doppelt so teuer wie bei Wladimir Putins erstem Amtsantritt. Ein Ende der Rubeltalfahrt ist derzeit nicht in Sicht und so bleibt die Landeswährung für das Volk der sichtbarste Indikator dafür, dass die russische Wirtschaft lahmt.

Die Zahlen belegen dies: Nach Angaben von Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Jänner und September um 0,7 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum gewachsen. "Das BIP-Wachstum ist äußerst niedrig und das hängt vor allem mit der schlechten Investitionsdynamik zusammen", klagte Uljukajew. Für das Gesamtjahr prognostiziert das Wirtschaftsministerium ein Wachstum von gerade einmal 0,5 Prozent. Zu Jahresbeginn hatte der Kreml noch auf 2,5 Prozent gehofft.

Investitionsflaute

Während die Wirtschaftskraft lahmt, wachsen der Inflation Flügel: Während das Wirtschaftsministerium zuletzt noch eine Prognose von 7,5 Prozent herausgab, warnte Zentralbankchefin Elvira Nabiullina vor acht Prozent Inflation. "Wahrscheinlich wird es sogar mehr", setzte Uljukajew nun noch einen drauf. Neuesten Schätzungen nach werden es nun 8,3 Prozent.

Die nach dem Krim-Anschluss und der Ukraine-Krise vom Westen verhängten Sanktionen und Moskaus Gegensanktionen haben die Tendenz zu Flaute und Preissteigerungen verschärft. Viele Investoren haben sich zurückgezogen, auch russisches Kapital flieht ins Ausland. Schnellere Besserung ist nicht in Sicht. Ex-Finanzminister Alexej Kudrin rechnet damit, dass die Sanktionen noch ein bis zwei Jahre Bestand haben.

Wesentlich problematischer für den Kreml ist allerdings die hohe Abhängigkeit vom Ölpreis. Entgegen jahrelanger Ankündigungen sind Reformen zur Diversifizierung der Wirtschaft ausgeblieben. Nun da der Ölpreis fällt, spürt Russland die Folgen sofort. Ein Ölpreis von 90 Dollar reißt sofort ein 1,2-Prozent-Loch in den Etat - und derzeit liegt der Preis sogar noch niedriger. Angesichts dessen (und der Kreditklemme) müssen selbst die großen Ölkonzerne wie Lukoil oder die staatliche Rosneft beim Kreml um Geld bitten. Rosneft will 40 Milliarden Euro aus dem Wohlstandsfonds haben.

Gasstreit mit Ukraine

Auch Gasprom kämpft mit Problemen: Wegen des anhaltenden Streits mit der ukrainischen Naftogas ist der Gewinn im ersten Halbjahr deutlich eingebrochen. Moskau fordert von Kiew 4,5 Milliarden Dollar für bereits geliefertes Gas. Wegen der Schulden hat Russland seinem Nachbarn im Juli den Gashahn zugedreht.

Die Verhandlungen über die Wiederaufnahme der Lieferungen endeten am Dienstag in Brüssel ergebnislos. Zwar sind sich beide Seiten inzwischen über den künftigen Preis einig: 385 Dollar für 1000 Kubikmeter, zumindest im Winter. Streit gibt es aber um den Preis für zurückliegende Lieferungen, Kiew bestreitet die Moskauer Forderungen, nun soll ein Schiedsgericht entscheiden.

Zudem fordert Gasprom finanzielle Garantien. Kiew allein kann das Geld nicht aufbringen, Moskau sieht daher Brüssel in der Pflicht. Dort hingegen wird heftig abgewunken: Für Finanzspritzen sei derzeit kein Geld da, beide Seiten müssten sich also auf eine Ratenstreckung einigen, heißt es. Ob es also zu einer Einigung kommt, steht daher noch nicht fest. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 23.10.2014)