Die Idee war naheliegend und reizvoll: Durch den Bau der Staustufe Wien war der Wasserstand der Donau um rund fünf Meter angehoben worden - während der Wasserstand des Donaukanals unten blieb. Diese brachliegende oder besser gesagt strömende Energie könnte man doch hervorragend nützen.

Allein: Bei den bisher vorhandenen Technologien hätte sich ein derartiges Kraftwerksprojekt kaum gerechnet - bis eine österreichische Erfindung das Stromerzeugen auf einmal doch rentabel machte: die Matrixturbine, eine Turbine, die beidseitig durchströmbar ist und gemäß ihrem Namen in beliebiger Stückzahl in einer Matrix angeordnet werden kann.

Zwölf Turbinen-Generator-Einheiten

Bei der denkmalgeschützten Schleuse in Wien-Nussdorf wurden insgesamt zwölf Turbinen-Generator-Einheiten - fast unsichtbar - unterhalb der Schleusenanlage eingebaut. 15 Millionen Euro hatten Wien Energie, EVN und Verbund-Austrian Hydro Power zu je einem Drittel für dieses Projekt in die Hand genommen - seit 2005 können nun rund 10.000 Haushalte mit dem hier erzeugten Strom (27,7 Millionen Kilowattstunden) versorgt werden.

Der Ausbau der Kleinwasserkraft ist seit 2000 intensiviert worden - im ganzen Wiener Stadtgebiet sind inzwischen bereits insgesamt sieben derartige Kraftwerke in Betrieb: vom Wasserturm Wienerberg über das Trinkwasserkraftwerk in Mauer, eine Turbine im Kraftwerk Simmering, ein Kleinkraftwerk in der Schleusenanlage Freudenau bis zu zwei Anlagen in der Hauptkläranlage.

Interesse an der Stromboje

Mithilfe neuer Technologien könnten aber auch noch neue Projekte dazukommen: Bei Wien Energie zeigt man sich beispielsweise höchst interessiert an den "Strombojen", die die Firma Aqua Libre zunächst einmal für die Wachau entwickelt hatte, torpedoähnliche Kraftwerke, die ohne riesige Eingriffe einfach in frei fließende Flussstrecken eingehängt werden können. Für die Donaustrecke unterhalb des Kraftwerks Freudenau könnte die eine oder andere derartige "Boje" durchaus interessant sein.

Unterhalb der Schleuse Nussdorf arbeitet ein Set von zwölf Matrixturbinen - hier wird der aufgestaute Pegel der Donau als Energielieferant genutzt.

Heribert Corn

Kleinwasserkraft" ist in diesem Fall irgendwie eine Untertreibung - schließlich ist es ein Riesentrumm Schnecke, das da in der Hauptkläranlage ebs Wien im Jahr 2013 in Betrieb ging. Täglich fließen hier 550 bis 560 Millionen Liter gereinigtes Abwasser 1,7 Meter hinunter - und treiben dabei die 13,5 Meter lange und 26 Tonnen schwere Schnecke an. Das produziert jährlich 500.000 Kilowattstunden Strom - und das ist immerhin ein Prozent des Stromverbrauches der ganzen Hauptkläranlage. Dazu kommt etwas weiter "stromabwärts" auch noch eine Kaplan-Turbine, die bereits seit dem Jahr 2009 in Betrieb ist. Sie nützt die fünf Meter Höhenunterschied im Auslaufbauwerk zwischen Käranlagenablauf und dem Donaukanal. Das ergibt noch einmal 1,5 Millionen Kilowattstunden - und somit rund 2,6 Prozent des Kläranlagenstrombedarfs.

Foto: Karl Wögerer

Das Wiener Hochquellwasser ist ein Segen für die Durstigen - bereitete früher allerdings auch ein Problem: Wenn es in Wien ankommt, hat es eigentlich zu viel Energie. Denn auf der 180 Kilometer langen Reise vom Hochschwab nach Wien hat es auch einen Höhenunterschied von 361 Metern hinter sich. Und das baut Druck auf. Früher musste diese überschüssige Energie vernichtet werden, um einen geeigneten, niedrigeren Druck für die Wiener Wasserleitungen hinzubekommen. Jetzt nützen die Wiener Wasserwerke diese Energievernichtung - um Strom zu erzeugen. Im Trinkwasserkraftwerk Mauer wurde daher eine Francis-Turbine mit einer Leistung von bis zu 500 kW eingebaut. Sie hat ein Jahresarbeitsvermögen von immerhin drei Millionen Kilowattstunden - und versorgt damit rund 1300 Wiener Haushalte.

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Der Wasserturm auf dem Wienerberg ist das Wahrzeichen von Favoriten. Er selbst ist seit 1956 nicht mehr für die Wasserversorgung im Einsatz - sehr wohl aber das Trinkwasserwerk gleich daneben. Und dieses erzeugt auch Strom. Dort, unter dem Wasserspielplatz, wurde 2013 ein Kleinwasserkraftwerk errichtet. In der Schiebekammer des Wasserspeichers wurde eine Kreiselpumpe eingebaut: Diese bietet eine Leistung von 40 Kilowatt und ein Jahresarbeitsvermögen von 260.000 Kilowattstunden. Das entspricht dem Strombedarf von rund 110 Wiener Haushalten. Auch hier wird - wie beim Trinkwasserkraftwerk Mauer - der Höhenunterschied der Wiener Hochquellenleitung für die Stromerzeugung genützt - durch den ein Druck von vier Bar aufgebaut wird. Das entspricht einer Fallhöhe von rund 40 Metern.

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Dass in der Staustufe Wien im großen Stil Strom produziert wird, weiß wohl so gut wie jeder, der die Staustufe kennt. Dass aber auch die Schiffsschleuse seit 2000 eine, wenn auch kleinere, aber umso feinere Energielieferantin ist, ist hingegen kaum bekannt. Denn in diesem "Schiffsaufzug" kommen pro Schleusungsvorgang immerhin 55.000 Kubikmeter Wasser in Bewegung. Und das kann hervorragend energetisch genutzt werden. Die hier installierte 25-teilige Matrix-Turbine war die erste ihrer Art. Mit einem Jahresarbeitsvermögen von 3,7 Mio. kWh versorgt sie rund 1600 Wiener Haushalte. Dieses Kraftwerk arbeitet nicht nur, wenn Schiffe geschleust werden - sondern auch wenn die Donau mehr Wasser führt, als das Kraftwerk Freudenau verabreiten kann - und das "Überwasser" über die Schleusenkammer abgeleitet wird. (Roman David-Freihsl, Greenlife, DER STANDARD, Oktober 2014)

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