Wien - Der vatikanische Gegenwind bläst offensichtlich derzeit rau rund um den Apostolischen Palast: Papst Franziskus hat sich mit seinem Reformeifer innerkirchlich nicht nur Freunde gemacht. Kardinal Christoph Schönborn sieht nach der zweiwöchigen Familiensynode die Situation noch drastischer: "Im Moment gibt es eine massive Angriffswelle auf den Papst von diversen Kreisen", sagte Schönborn am Montag.

So gebe es sogar eine Publikation, in der die Gültigkeit der Wahl zum Papst angezweifelt werde. Auch würden Kritiker "apokalyptische Szenarien" entwerfen, er würde die Kirche in den Untergang führen. Allerdings, schränkte Schönborn ein, kenne er derartige Vorwürfe auch schon von anderen Päpsten, etwa Johannes XXIII.

Dass der Papst sich nicht nur Freunde schafft, war abzusehen. Das sagt auch der Innsbrucker Dogmatiker Józef Niewiadomski. Dennoch schwächt er ab: "Es war klar, dass auch Kritik kommen wird. Papst Franziskus hat klare Standpunkte - und die vertritt er auch. Aber man darf hier nicht überdramatisieren, eine Angriffswelle sehe ich noch nicht. Eher befruchtende Konflikte", sagt Niewiadomski zum STANDARD.

Keine Revolution

Ähnlich argumentiert auch Jan-Heiner Tück, Vorstand des Instituts für Dogmatische Theologie an der Uni Wien: "Es gibt wachsende Bedenken aus konservativen Kreisen, die die Sorge haben, dass Franziskus mit seinem Ansatz bei den konkreten Problemen und seiner Optik der Barmherzigkeit die offiziellen Lehrpositionen aufweichen könnte. Eine Revolution gegen den Papst kann ich darin allerdings nicht sehen." Die doppelte Treue sowohl zur bestehenden Lehre der Kirche als auch zu den vielfältigen Problemen der Menschen zu wahren, das sei ein Spagat. Tück: "Die Spannungsfelder, die sich hier auftun, gilt es nun weiter zu diskutieren."

Papst Franziskus hatte in seiner Abschlussansprache bei der Familiensynode die innerkirchliche Gratwanderung beschrieben: Er warnte vor der "Versuchung der feindlichen Erstarrung" der "Traditionalisten", aber auch vor "der Versuchung des zerstörerischen Gutmenschentums, das im Namen einer falschen Barmherzigkeit die Wunden verbindet, ohne sie zuvor zu behandeln".

Kritik an "Tunnelblick"

Der Zwist in der Synode hat auch Spuren bei Kardinal Schönborn hinterlassen. Man sei, klagte er, zu sehr auf die Thematik Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen eingeengt worden. Ein Fehler, denn: "Das Zusammenspiel von Medien und theologischen Sorgen hat einen Tunnelblick geschaffen, als gäbe es nur diese zwei Fragen." Aber: "Das große Thema der Synode war nicht die Homo-Ehe, pardon."

Das große Thema sei vielmehr gewesen, dass "überhaupt nicht geheiratet wird, und zwar weltweit". Daher gelte es, den Blick auf Ehe und Familie grundlegend zu verändern, sich den Lebensrealitäten zu stellen.

Kommendes Jahr im Herbst wird weitergetagt - in anderer und vor allem vergrößerter Zusammensetzung. (Peter Mayr Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 21.10.2014)