Für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen sind Elektro- und Hybridfahrzeuge oftmals nur schwer wahrnehmbar.

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Beschwerden über die schlechte Hörbarkeit von E-Bussen: Experten sehen Aufklärungsbedarf. Verkehrsbetriebe würden auch ihre Fahrer, die die leisen Kfz nicht gewohnt sind, einer Gefahr aussetzen.

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Wien - Elektromobilität gilt als geräuscharm und umweltfreundlich. Für blinde und sehbehinderte Menschen, die Kraftfahrzeuge oftmals nur anhand des Motorengeräusches wahrnehmen können, kann sie aber auch gefährlich sein.

Diese Problematik ist auch an der EU nicht vorbeigegangen. In einer im April 2014 verabschiedeten Verordnung, die eine Lärmobergrenze von 68 Dezibel für Kfz festlegt, wird auf die von leisen E- und Hybridfahrzeugen ausgehende Gefahr hingewiesen. Diese seien deshalb ab 2021 mit einem Avas, einem akustischen Warnsystem, auszustatten.

Die Regelung stößt allerdings in ihrer jetzigen Form - eine Überarbeitung ist bis 1. Juli 2017 möglich - auf Kritik. Zum einen gilt die Avas-Pflicht nur für Neuwagen, zum anderen soll das akustische Warnsystem nur bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde aktiviert sein.

Für Mindestgeräuschpegel

Die Geräusche von E-Fahrzeugen gingen aber auch bei ortsüblichen Geschwindigkeiten von bis zu 50 Kilometern pro Stunde im Verkehrslärm unter, beklagt Monika Weinrichter, die sich - selbst blind - mit ihrer Initiative "Elektra" für die Hörbarkeit von Kraftfahrzeugen engagiert. Weinrichter wünscht sich ein System, das auch bei höheren Geschwindigkeiten aktiviert sein muss und darauf hinweist, ob das Fahrzeug steht, beschleunigt oder langsamer wird. Geht es nach ihr, sollte jedes Kfz - ob mit E-, Hybrid- oder konventionellem Antrieb - einen gesetzlich festgelegten Mindestgeräuschpegel aufweisen.

Kritik gibt es aber auch vonseiten offizieller Interessenvertreter: Das Komitee für Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen (KMS) heißt zwar die Avas-Pflicht gut, bemängelt aber die lange Übergangsfrist sowie die Regelung, dass das Warnsystem vom Fahrer abschaltbar sein soll. Den Wunsch nach einem Mindestgeräuschpegel will KMS-Vorsitzender Elmar Fürst aber so nicht äußern. Wichtig sei ihm eine wissenschaftlich fundierte Grundlage.

"Abrollgeräusch überwiegt"

"Ab bestimmten Geschwindigkeiten überwiegt sowieso das Abrollgeräusch. Ein 20 Meter langer Gelenkbus ist auch mit Verbrennungsmotor schlecht hörbar, weil sich der ganz hinten befindet." Art, Lautstärke, Anbringungsort und sinnvolle Geschwindigkeitslimits müssten erforscht werden, fordert Fürst im STANDARD-Gespräch. Das käme nicht nur den 318.000 sehbeeinträchtigten Menschen in Österreich zugute, sondern auch Kindern, alten Menschen sowie jedem, der einmal unaufmerksam ist. Das Argument, dass der Verkehrslärm zunehmen werde, hält Fürst für absurd. Das Warngeräusch werde nicht laut, sondern gut hörbar sein.

Der Interessenkonflikt um Lärmreduktion und Barrierefreiheit zeigt sich auch bei den Wiener Linien. Fast alle Stationen sind mit einem taktilen Leitsystem, Rampen und Aufzügen ausgestattet. Laufend wird daran gearbeitet, auch die Transportmittel selbst barrierefrei zu gestalten.

E-Busse gesetzeskonform

Dass die Elektrobusse, die seit Herbst 2012 in der Wiener City unterwegs sind, schlecht hörbar seien, will man aber nicht gelten lassen. Man erfülle alle gesetzlichen Richtlinien und sehe keinen Anlass, etwas zu ändern, sagt eine Sprecherin auf Anfrage hin.

"Die Wiener Linien nehmen das Problem nicht ernst", sagt hingegen Fürst. Und sie würden damit auch die eigenen Mitarbeiter Gefahren aussetzen. Ein leises Fahrzeug verlange nach einer anderen Umgangsweise. Das werde auch bei den künftigen E-Taxi- und E-Car-Sharing-Modellen ein Thema werden. Fürst sieht hier noch viel Aufklärungsbedarf. (Christa Minkin, DER STANDARD, 20.10.2014)