KTU-Rektor Franz Gruber sieht die Zeit "überreif" für Kirchenreformen

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Papst Franziskus am Ende der Synode im Vatikan

Foto: epa/dimeo

STANDARD: Ehe, Familie, Sex – thematisch betrachtet hätte die erste Bischofssynode unter Papst Franziskus durchaus spannend werden können. Geworden ist es letztlich eine Synode ohne große Sensation. Hat Sie das Ergebnis enttäuscht?

Gruber: Nein. Ich habe mir bei der ersten Runde auch keine großen Ergebnisse erwartet. Das Kluge dieser Synode ist ja, einen zweiten Durchgang zu machen.
Die große Frage nach konkreten Ergebnissen wird sich also im Oktober 2015 stellen.

STANDARD: Jetzt wurde zwei Wochen in Kleingruppen gestritten, und am Ende steht ein "entschärftes" Papier, das keinen verbindlichen Charakter hat. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus, dass das Ergebnis 2015 nicht ähnlich mager ausfällt?

Gruber: Ich kann nachvollziehen, dass man sich schon jetzt mehr Ergebnisse wünscht. Angesichts der pastoralen Herausforderungen und der Situation der katholischen Kirche ist dies nur logisch. Andererseits reden wir hier von Reformthemen, die derartig herausfordernd sind, dass man wahrscheinlich mit einem langen Prozess rechnen muss. Daher bin ich schon froh, wenn der Diskussionsprozess überhaupt wieder in Gang kommt. Man darf nicht vergessen: Fast 40 Jahre war keine Diskussion etwa zum Thema Familie möglich.

STANDARD: Letztlich haben die Bischöfe aber keinen Konsens zu umstrittenen Themen wie dem Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen gefunden, oder?

Gruber: Aber wenn ich mir nur den Zwischenbericht von vergangener Woche anschaue, muss ich ganz klar sagen: Das Eis ist gebrochen. Die Diskussion ist lebendig und lebhaft. Und es wird immer ein Ziel von Synoden bleiben, dass das Lehramt und die Bischöfe immer mit größtmöglichem Konsens sprechen.

STANDARD: Hat man ja letztlich getan – und im Abschlussbericht einer Öffnung mehrheitlich eine Absage erteilt.

Gruber: Bislang haben wir nur eine Abschlussbotschaft, einen Bericht wird der Papst möglicherweise vorlegen. Der Zwischenbericht hat aber deutlich gemacht, welche Positionen es überhaupt gibt. Die konservative Haltung ist bekannt und war zu erwarten. Aber die vielen anderen offenen Positionen haben überrascht. Und wenn der Bericht mit 158 zu 174 Stimmen angenommen worden ist, dann zeigt sich, dass hier substanziell etwas weitergegangen ist.

STANDARD: Die Wiederzulassung von Geschiedenen zur Kommunion erreichte keine "qualifizierte" Mehrheit, der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen wurde in der Schlussbotschaft nicht einmal mehr explizit erwähnt. Wo ist da bitte der substanzielle Fortschritt?

Gruber: Der Funken der Hoffnung liegt vor allem im Prozess selbst. Erstmals verdient eine Synode wieder das Wort Synode: keine vorbereiteten Reden und dadurch eine echte Auseinandersetzung mit den Themen. Bei den bisherigen Synoden hat man immer schon im Vorfeld gewusst, was am Ende herauskommt. Dazu kommt, dass diese Synode endlich wieder induktiv und nicht deduktiv arbeitet. Allein durch die Befragung der Gläubigen im Vorfeld hat man sich mit der Lebensrealität, über die man diskutiert, auf Augenhöhe auseinandergesetzt. Was durchaus untypisch für eine lehramtliche Arbeitsweise ist.

STANDARD: Wurden mit der weltweiten Befragung der Basis als Grundlage für die bevorstehende Synode nicht zu hohe Erwartungen geweckt?

Gruber: Es wurden Erwartungen geweckt, durchaus. Aber auch wenn ich mir persönlich oft wünsche, dass schneller gearbeitet wird, muss man sagen: lieber gut als schnell. Denn schnell bedeutet in der kirchlichen Kommunikation, dass man keine gemeinsame Orientierung hat. Die katholische Kirche ist kein Debattierklub, wo man es allen recht machen kann.

STANDARD: Ist die Zeit reif für Reformen?

Gruber: Überreif. Das ist eine der letzten Chancen der Kirche in dieser modernen Zeit, sich hinein- und nicht mehr über die Menschen zu stellen. Die Kirche muss endlich wieder den Mut haben, auf diese veränderte Welt aktiv zuzugehen und nicht nur zuzuschauen, zu jammern und dabei depressiv zu werden. Und es kann nicht mehr heißen: "Roma locuta, causa finita". Der Heilige Geist weht nicht nur in Rom. Dieser Zentralismus ist nicht mehr zukunftsfähig. Rom muss eine Dienstleistungsstelle für die Ortskirchen werden. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 19.10.2014)