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Stein des Anstoßes: eine Drohne mit großalbanischer Flagge über dem Spielfeld bei einem Fußball-EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien am Dienstagabend

Foto: apa/suki

Der "Drohnen-Vorfall" lässt die Gemüter am Balkan (und unter der albanischen und serbischen Diaspora) hochkochen. Vieles, was vor und nach dem Abbruch des Spiels passierte, unterstrich das Bestehen der alten Muster in den bilateralen Beziehungen und brachte lediglich eine neue Variable in das zerrüttete Verhältnis zwischen den beiden Balkanstaaten.

Vorgespielte Annäherung – Am Balkan nichts Neues

Nicht lange nach dem Abbruch des Spiels musste man auf die politische Propaganda beider Seiten warten. Wie Volksschüler zeigten die serbischen und albanischen Politiker mit dem Finger auf den jeweils anderen. Noch vor kurzer Zeit propagierten die beiden Balkanstaaten eine Annäherung, die mit dem Staatsbesuch des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama am 22. Oktober diesen Jahres in Beograd symbolisch untermauert werden sollte - der nun verschoben wird. Das wäre der erste Besuch eines albanischen Staatschefs in Beograd seit 1946. Zwar wollen beide Seiten nach dem Vorfall auf den Besuch nicht verzichten, eine Annäherung bedarf jedoch anderer Rhetorik und Symbolik.

Dass es in den Stadien am Balkan ein großes Rassismus und Nationalismus-Problem gibt, ist längst bekannt. So war auch zu erwarten, dass die serbischen Zuschauer wieder "Ubi, zakolji da šiptar ne postoji" (Töte, schlachte ab, damit der Albaner - Šiptar ist eine abfällige Bezeichnung für Albaner - nicht mehr existiert) und "ubi hrvata da šiptar nema brata" (Töte Kroaten, dass die Albaner keine Brüder mehr haben) skandieren werden. Eine offizielle Politik, die sich von solchen Rufen distanzieren möchte und auf eine Annäherung bedacht ist, verurteilt diese Rufe und bleibt den Spielen fern.

Spiele meiden

Siehe Kroatien, wo der kroatische Staatspräsident Ivo Josipović nach wie vor keine Spiele der kroatischen Nationalmannschaft besucht, bis der Kroatische Fußballverband (HNS) das Rassismus und Nationalismus-Problem in den Griff bekommt. Der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolić hingegen verweist in serbischen Medien lieber darauf, dass die Drohne mit einer Bombe bestückt hätte sein können. Der albanische Premier verzichtete seinerseits darauf, sich von "großalbanischen-Ansprüchen", die mit der Flagge signalisiert wurden, zu distanzieren und prangerte die schlechte Organisation an.

Das Vorgehen der Staatsspitzen beider Staaten in dieser Causa beweist, dass die Annäherung bloß im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses vorgespielt war, um einer der Forderungen der EU für den Beitritt zu entsprechen. Ernsthafte Bestrebungen beider Seiten, die zwischenstaatlichen Beziehungen auf lange Sicht zu verbessern, sind nicht zu erkennen. Stattdessen versuchen die beiden Staaten, mit gegenseitigen Beschuldigungen bloß das UEFA-Urteil über den Abbruch dieses Matches zu beeinflussen.

Konsequenzen werden gefordert - Urteile sollen andere fällen

Beide Staaten fordern nach dem Vorfall Konsequenzen seitens der UEFA. Stimmen, die die Verantwortlichen aus den eigenen Reihen zur Rechenschaft ziehen sollen, hört man kaum.

All das erinnert an die Situation nach den Kriegen am Balkan, wo die beteiligten Staaten via politischer Propaganda die Urteile in Den Haag zu beeinflussen versuchten, statt selber Richter im eigenen Land zu spielen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Dieses Verhalten ist ein Eingeständnis der Unreife der politischen Player und demonstriert die Schwäche der staatlichen Institutionen beider Staaten. EU-Reife sieht anders aus.

Pervertierung der Grundidee von "Pranks"

Betrachtet man den Drohnen-Vorfall zuerst einmal, ohne die "Großalbanische"-Flagge in den Mittelpunkt zu stellen, so wird man unweigerlich an die "Pranks"(Streiche) zwischen den rivalisierenden Eliteuniversitäten in den USA erinnert. Unvergessen da der Vorfall aus dem Jahr 1982, wo die MIT-Studenten während eines American Football-Matches zwischen Harvard und Yale einen schwarzen Wetter-Ballon mit in weißer Farbe aufgemalten MIT-Initialen am Mittelfeld des Harvard-Stadiums landen ließen. Solche Streiche intellektueller und geistreicher Natur können die gesunde Rivalität in einem durch Wettbewerb und nicht Feindschaft gekennzeichneten Umfeld fördern, in dem sie auf die intellektuellen Kapazitäten der eigenen Bildungseinrichtung verweisen.

In einem von Gewalt und Nationalismus geprägten Umfeld haben aber solche Aktionen, wie die vom Dienstag, nichts mit einem "Prank" zu tun. Vielmehr ist es die Pervertierung der Grundidee hinter den "Pranks", wo nicht das Hervorheben der eigenen Möglichkeiten im Vordergrund steht, sondern das Propagieren nationalistischer Politiken mit anderen Mitteln (in dem Fall das Propagieren großalbanischer Träume).

So gesehen brachte der Drohnen-Vorfall die einzige neue Variable in das Trauerspiel der serbisch-albanischen Beziehungen, in der die Nationalisten neue (technologische) Möglichkeiten für sich entdeckt haben, um Hass und Gewalt zu schüren.

Die politischen Reaktionen verdeutlichten aber nur all zu gut, dass die nationalistischen Extremisten am Balkan weiterhin auf Rückendeckung der politischen Spitze zählen können. (Siniša Puktalović, 19.10.2014, daStandard.at)