Bild nicht mehr verfügbar.

US-Filmemacherin Laura Poitras.

Foto: Charles Sykes/Invision/AP

Sie haben gefragt, warum ich mich für Sie entschieden habe. Das tat ich nicht. Sie haben sich selbst ausgewählt." So lautete Edward Snowdens Antwort auf die Frage der US-Filmemacherin Laura Poitras, warum er sich an sie gewandt habe, gerade ihr vertraue. Das war bereits im Frühjahr 2013, er war noch nicht der berühmteste Whistleblower dieser Zeit: Snowden brauchte Verbündete, um seine Mission zu erfüllen, die Machenschaften der NSA zu enthüllen.

Poitras drehte den Zwölf-Minuten-Beitrag, mit dem Snowden öffentlich bekannt wurde. Ihr Film Citizenfour, der im September in New York uraufgeführt wurde und Ende Oktober das Filmfestival in Leipzig eröffnet, rekapituliert diese Begegnung zweier Menschen mit unüblich großer Zivilcourage. Kein Porträt Snowdens, von dessen Vorgehen Poitras "immer bewegt" war, sondern eine Verstärkung und Konkretisierung seines Auftrags.

Es handelt sich um den Abschluss ihrer Trilogie, die dem Paradigmenwechsel in den USA nach 9/11 nachgeht - vom Irakkrieg (My Country, My Country) über Guantánamo (The Oath) nun zu Citizenfour. Snowden selbst ist darin erst nach 25-minütiger Einordnung zu sehen, es folgt das Interview, das Poitras und der Journalist Glenn Greenwald mit dem Exagenten in Hongkong geführt haben. Sie selbst tritt nicht auf - Poitras ist keine Freundin der Ich-Erzählung. US-Journalist George Packer bezeichnete den Film als Thriller, der von der Klaustrophobie dieser Tage viel vermittelt.

Die Verschränkung von Politik und Film hat die 1964 als Kind einer wohlhabenden Bostonner Familie geborene Poitras schon im Studium gesucht: Kunstgeschichte (San Francisco Art Institute) und Sozialtheorie (New School, New York). Direct-Cinema-Dokumentaristen wie Frederick Wiseman haben sie geprägt, das zeigt ihre nüchterne Vorgangsweise, die auf Polemiken verzichtet.

Als Resultat ihres Wagemuts als Filmemacherin hat Poitras ihr Leben umstellen müssen. Seit 2006 wurde sie von US-Behörden annährend 40 Mal an Flughäfen aufgehalten und befragt (einmal auch am Flughafen Schwechat). Der Schatten wäre noch länger, sagt Poitras, hätte sie dunkle Hautfarbe. Um zu kommunizieren, muss sie etliche Sicherheitsmaßnahmen einhalten. Mittlerweile lebt Poitras in Berlin, wo sie sich geschützter fühlt. Es ist eine Art Exil geworden. Dabei geht es ihr wie Snowden nur darum, fahrlässigen Missbrauch offenzulegen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 17.10.2014)