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Die Waage der bayerischen Justitia geriet aus dem Gleichgewicht.

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Ein engagierter junger Richter, der seit seiner Einstellung im Herbst 2013 fleißig arbeitete und sonst nicht weiter auffiel - lange Zeit hatte man über Maik B., einen 29-jährigen Zivilrichter am Amtsgericht Lichtenfels (Oberfranken), nur Gutes sagen können. Doch jetzt dürfte die Karriere des Richters vor dem Ende stehen. Lieber heute als morgen möchte ihn der Freistaat loswerden und sein Wirken vergessen machen. Denn dieses ist für die bayerische Justiz und die Sicherheitsbehörden äußerst blamabel.

Maik B. stammt nicht aus Bayern, sondern aus Brandenburg. Dort war er dem Verfassungsschutz bestens bekannt, und zwar als Frontmann der Neonazi-Band Hassgesang. Diese ist laut brandenburgischem Verfassungsschutz "so etwas wie der verlängerte musikalische Arm der Neonazi-Szene in Südbrandenburg".

Zufall führt zu Aufdeckung

Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums beschreibt Maik B. so: "Er ist ein aktiver Neonazi, tief in der Wolle gefärbt, mit nationalen und internationalen Kontakten." Sein Name sei seit dem Jahr 2003 "praktisch jährlich im Verfassungsschutzbericht" aufgetaucht. Daher haben die brandenburgischen den bayerischen Verfassungsschützer-Kollegen auch eine "Erkenntnismitteilung" über den "Zuzug eines rechtsextremistisch orientierten Musikers" geschickt, als B. nach seinem Jusstudium in Berlin von Brandenburg nach Bayern zog.

Doch der bayerische Verfassungsschutz verfolgte nicht weiter, welcher Beschäftigung der junge Mann in Bayern dann nachging. So konnte er die Richterrobe überstreifen und in Lichtenfels schließlich seinen Dienst antreten. Seine Vergangenheit kam erst ans Licht, als B. sich wegen eines aufgebrochenen Spinds an die Polizei wandte. Einem Ermittler fiel auf, dass der Richter so heißt wie ein Neonazi, den der Verfassungsschutz im Visier hat.

Keine Robe für Extremisten

Nun herrscht Entsetzen im Freistaat, zumal sich dort Justiz und Polizei in den vergangenen Jahren nicht mit Ruhm bekleckert haben. So wurden die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) an Kleinunternehmen mit Migrationshintergrund über lange Zeit falsch eingeschätzt und ein fremdenfeindlicher Hintergrund nicht verfolgt. Und Gustl Mollath saß jahrelang unschuldig in der Psychiatrie.

Als die Geschichte nun öffentlich wurde, reagierte Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) mit markigen Worten und erklärte: "Extremisten dürfen in Bayern keine Robe tragen." Doch es ist wegen des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit nicht ganz so einfach, einen Richter – selbst wenn er wie B. nur auf Probe ernannt ist – wieder aus seinem Amt zu entfernen.

Richter hat um Entlassung gebeten

Bausback hofft, dass die Ernennung zurückgenommen werden kann, wenn sich herausstellt, dass der Brandenburger bei seiner Einstellung unwahre Angaben zur Verfassungstreue gemacht hat. Immerhin: Eine langwierige Prüfung bleibt den Behörden erspart. Der Richter hat mittlerweile selbst um seine Entlassung gebeten, dieser wurde sofort stattgegeben.

Bausback und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erwägen als Konsequenz, den sogenannten Radikalenerlass wieder einzuführen. Dann könnte der Staat vor jeder Einstellung im öffentlichen Dienst zunächst beim Verfassungsschutz eine Anfrage über die Verfassungstreue des Bewerbers stellen.

Nicht nur der bayerischen Opposition, sondern auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geht das zu weit. Der Radikalenerlass war 1972 eingeführt worden. Bayern war 1991 das letzte deutsche Bundesland, das ihn wieder aufhob. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 15.10.2014)