Screenshot: Gilles San Martin

Die Zombifizierung im Tierreich hat es in den vergangenen Jahren zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Forscher berichten über immer mehr parasitische Arten, die sich für ihre komplexen Vermehrungskreisläufe anderer Spezies bedienen, indem sie deren Verhalten manipulieren. Der Pilz Ophiocordyceps unilateralis etwa macht aus einer bestimmten baumlebenden Ameisenart in Thailand torkelnde Einzelgänger, die sich ferngesteuert ein passendes Blatt knapp über dem Boden suchen, um sich darin zu verbeißen. Kurze Zeit später sprießen die Pilzkörper aus den Ameisenköpfen hervor und setzen ihre Sporen frei - und dem Leben der Ameise ein Ende. Die tropische Juwelwespe wiederum fällt durch ihr scheinbar besonders grausames Brutverhalten auf: Die Weibchen lähmen mit einem Nervengift den Fluchtreflex von Schaben, die ihren parasitoiden Larven dann eine Woche lang als lebender Nahrungsvorrat dienen.

Ebenfalls der Fortpflanzung dient die ausgesprochen ... nun, sagen wir: originelle Manipulation, die das Internetmagazin "Wired" kürzlich in ihrer Rubrik "Absurd Creature of the Week" detailreich vorgestellt hat: In diesem Fall hat es der Wurm Leucochloridium auf Schnecken abgesehen, konkret auf deren Augen. Dass man es auch hier mit einer Zombifizierung zu tun hat, haben Biologen rund um Tomasz Wesołowski von der polnischen Universität Breslau erst im Vorjahr herausgefunden.

Discotanz für die Vögel

Kommt die Schnecke mit den Larven des Wurmes in Kontakt - üblicherweise geschieht dies beim Fressen von Vogelkot - nisten sich die Jungwürme sogleich in den Augenstielen ihrer Opfer ein. Dort angekommen, beginnen sie in bunten Farben zu pulsieren, was ihnen das Aussehen von Raupen verleiht. Der Sinn der wilden Discotanzes in den Hörnern der Schnecken ist es, die Aufmerksamkeit von Raupen-fressenden Vögeln zu erregen.

Das ist jedoch erst die halbe Geschichte: Damit die normalerweise nachtaktiven Schnecken von den Vögeln auch tagsüber gefunden werden, manipuliert der Wurm die Innere Uhr der Schnecken. Er zwingt die bedauernswerten Weichtiere ins offene Tageslicht und manövriert sie zu exponierten Stellen - wo ihnen die Vögel schließlich ihre Raupen-Augen auspicken. Üblicherweise überleben die Schecken ihre Begegnung mit den Vögeln, was ihnen die "Chance" gibt, die ganze Prozedur gleich mehrmals zu durchleiden.

In dieser komplexen Beziehung zwischen Wirt und Parasit haben die Forscher noch einige Details zu kläre. Besonders mysteriös ist etwa, dass der Wurm Leucochloridium über keinerlei Sensoren verfügt, um zwischen hell und dunkel bzw. Tag und Nacht zu unterscheiden. Wie er es trotzdem schafft, die von ihm befallene Schnecke zur richtigen Zeit loszuschicken, um sich als Vogelfutter anzubieten, ist ein Rätsel.

--> Wired: Absurd Creature of the Week - The Parasitic Worm That Turns Snails Into Disco Zombies

(tberg, derStandard.at, 19.10.2014)