"Herr Onkel Doktor, verschreiben S’ mir Express, 300 PS, 300 PS" – die EAV besang noch ein Auto – hatte aber anscheinend auch schon die richtige Einstellung für das, was Kawasaki vor Kurzem auf der Intermot vorstellte: die Ninja H2R. Kawasaki beatmet einen 998 Kubikzentimeter großen Vierzylinder mit einem Kompressor um einen Prototypen eines Motorrades auf die Räder zu stellen, der – brnn tata brnn, brrn tata brnn – 300 PS leistet.

foto: kawasaki

Dafür setzten die Japaner alle Divisionen des Konzerns an einen Tisch. Der Kompressor etwa stammt aus der Gasturbinen– und Anlagenbau-Tochter der Kawasaki Heavy Industries Gruppe. "Die Eigenkonstruktion des Kompressors ermöglichte dessen perfekte Abstimmung auf die Motoreigenschaften der Ninja H2R. Die hochleistungsfähigen, motorradspezifischen Kompressoren waren entscheidend, um dem Wunsch der Ingenieure nach maximaler Leistung und kraftvoller Beschleunigung zu entsprechen", erklärt Kawasaki in einer Presseaussendung.

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Die Luftfahrtler von der Kawasaki Aerospace Company bauten die außergewöhnlichen Flügerl an der Front und kümmerten sich um die Aerodynamik. "Stabilität bei ultrahohen Geschwindigkeiten" hieß das Kapitel der Fahrwerkler.

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Aber die Rakete muss ja auch irgendwann einmal durch eine Kurve. Und das sollte bei 300 PS keine Lektion in Demut sein. Darum war die Aufgabe auch gar nicht so einfach. Denn jenseits der 250 km/h hilft es, wenn man einen Radstand wie ein Zug hat, wenn man wie auf Gleisen fahren will.

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Nur im Kreisverkehr drei bis vier mal revisiern ist halt schon ein Zeitraub, denn du mit 300 PS gar nicht mehr einholen kannst. Die drei mal am Buckl liegen, wenn man versehentlich an der Ampel gach einkuppelt noch gar nicht mitgerechnet. Also entschied sich Kawasaki für einen überraschend kurzen Radstand, "weil der Wunsch nach kompakten Abmessungen und nach präzisem Ansprechverhalten" laut Kawasaki dann doch größer war als alles andere.

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Außerdem musste der Bock ja den Namen Ninja und H2 gerecht werden. Ninja, so heißen die Supersportler von Kawasaki. Das weiß ja bald wer. Aber woher die Kennung H2 kommt, das werden wohl nur mehr die wirklich harten Hunde wissen, die schon in den 1970er-Jahren erbarmungslos am Gas rissen – oder zumindestens mit Motorrädern Supertrumpf spielten.

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Denn die Kawasaki 750 H2 Mach IV warf ab 1971 alles über den Haufen, was man auf zwei Rädern für möglich hielt. Sie war damals mit rund 75 PS das stärkste Eisen – und das schnellste Eisen. Dabei war sie nicht nur die Schnellste auf 200 km/h, sie war auch die einzige Großserienmaschine, die überhaupt 203 km/h erreichte.

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Ein wilder Bock. Damals schon. Heute singt man am besten schon "Geist und Esprit versprühte ich nie" wenn man sie anwirft, um schnell zu sein. Aber genau in der Liga spielt doch auch irgendwie die 300 PS starke H2R, oder?

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Um die Einzigartigkeit noch einmal zu unterstreichen, pappt Kawasaki auch nicht sein normales Logo drauf, sondern das Kawasaki River-Logo. Noch nie gesehen? Ich auch nicht. Egal. Es ist ein traditionelles Logo des Kawasaki-Konzerns, das aus den 1870er-Jahren stammt, und nur selten verwendet wurde. Nämlich laut Eigendefinition: "Nur Modelle von historischer Bedeutung sowie besondere technische Merkmale waren damit ausgestattet". Dahingehend müsste man sich alte Kawasaki-Werbesprüche noch einmal durchlesen, oder?

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Nein, das machen wir nicht. Obwohl wir dafür Zeit hätten, bis die zivile Version der Kompressor-Ninja wirklich auf den Markt kommt. Das dann wohl nicht mit 300 PS, aber über 200 Pferde werden es wohl doch sein. Und wir singen noch einmal: "Die Reifen müssen qualmen wie heißer Leberkäs, 300 PS, 300 PS". (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 13.10.2014)

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