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Ist ein Musiker, der in einem Club auftritt, ein Dienstnehmer oder nicht? Das hängt stets von den Umständen ab, sagen Experten. Doch wenn die Kasse das anders sieht, kann es teuer werden.

Foto: EPA/Ali Ali

Wien - Sie sind der Schrecken der Kleinunternehmer - die Krankenkassen, die bei Zahlungsverzug oft die Ersten sind, die einen Insolvenzantrag stellen - noch vor dem Finanzamt oder Geschäftspartnern. Zuletzt hat es das Wiener Szenelokal "Flex" erwischt, wo nach Angaben ihres Chefs Thomas Eller bloß vergessen wurde, eine Rechnung zu bezahlen.

Dass mit der Sozialversicherung nicht zu spaßen ist, bestätigen auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. "Die Krankenkassen haben in den letzten Jahren ihre Prüfungspraxis verschärft, auch dort gibt es Geldnöte und Zielvorgaben", sagt Wolfgang Höfle, Experte für Personalverrechnung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPA Horwath. Dies sei zum Teil verständlich, denn die Kassen würden laufend Leistungen erbringen und seien auch für die Zahlungen an andere, etwa die Gemeinden oder das Arbeitsmarktservice, zuständig.

Mahnung wird zum Exekutionstitel

"Die Gesetzeslage ist grundsätzlich ungünstig für Unternehmen", sagt Höfle. Bei offenen Zahlungen schickt die Gebietskrankenkasse zuerst eine Mahnung; wird diese nicht innerhalb von 14 Tagen beglichen, stellt sie einen Exekutionstitel dar, der zu einem Insolvenzantrag bei Gericht berechtigt.

Aber mutwillig würden die Kassen - entgegen ihrem gelegentlichen Ruf -- kein Unternehmen ruinieren. "Nur weil man einmal geirrt hat, ist man nicht übermorgen gleich in der Insolvenz", sagt Höfle. "Da muss schon viel Sorglosigkeit im Spiel sein, dass es zu einem Insolvenzantrag kommt."

Stephan Nitzl, Arbeitsrechtsexperte bei DLA Piper, empfiehlt, bei Problemen sofort mit der Sozialversicherung Kontakt aufzunehmen und die eigene Lage glaubwürdig zu erklären. Aus seiner Erfahrung seien die Kassen bei einer Zahlungsstockung oft bereit, eine Ratenzahlung - zumindest bei den Dienstgeberbeiträgen - zu akzeptieren. "Aber wenn man dann die Rate nicht bezahlt, dann gibt es keine Nachsicht mehr", sagt Nitzl. Paktfähigkeit ist der Sozialversicherung sehr wichtig. Da versteht sie keinen Spaß."

Doch kein Werkvertrag

Besonders schmerzhaft kann es für Unternehmen sein, wenn die Krankenkassen nach einer sogenannten GPLA-Prüfung (gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) eine Nachzahlung fordert, etwa weil ein Mitarbeiter mit Werkvertrag beschäftigt wurde, die Kasse aber meint, dass ein Dienstvertrag vorliegt. Dann muss der Arbeitgeber nicht nur die Dienstgeber-, sondern auch sämtliche Dienstnehmerabgaben nachzahlen sowie die nicht abgeführte Lohnsteuer - und das bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren.

Vor allem Vereine - etwa Sport-, Theater- oder Musikvereine wie auch das Flex - sind in Gefahr, hier die falsche Rechtsform zu wählen, sagt der Wiener Steuerberater Viktor Gjukez (ggw). "Vereinsobleute müssen sich Sorgen machen, weil es bei den Krankenkassen Interpretationsspielraum gibt, wann ein Dienstverhältnis vorliegt und wann nicht", sagt er. Grundsätzlich muss jeder Mitarbeiter, der zu bestimmten Zeiten angewiesene Aufgaben erfüllt, angemeldet werden. Für Schauspieler, die proben müssen, gelte das fast immer, sagt Gjukez, für Musiker mit einem einmaligen Auftritt nicht. "Aber was ist mit einem DJ oder dem, der das Licht macht. Dann stellt sich die Frage: Macht er das regelmäßig? Dann ist es ein Dienstvertrag."

Einen solchen Bescheid könne man allerdings bekämpfen oder zumindest eine Ratenzahlung aushandeln, sagt Nitzl.

Persönliche Haftung

Ein weiteres Problem: Geschäftsführer oder Vereinsobleute haften persönlich für nicht abgeführte Krankenkassenbeiträge. "Das führt schnell zum Existenzverlust", warnt Höfle.

Arbeitgebern, die Dienstnehmerbeiträge nicht abführen, drohen bis zu zwei Jahre Haft. Steuerberater empfehlen gerne ihren Klienten, die Krankenkassen noch vor allen anderen Gläubigern zu bedienen. Doch auch das ist gefährlich, warnt Nitzl. "Da ist man schnell in einer Gläubigerbevorzugung drin, und auch das ist strafrechtlich relevant. Aus haftungstechnischer Sicht ist das ein extrem heißes Pflaster."

Ein Detail macht die Kassen zu besonders unangenehmen Gläubigern: Sie verrechnen acht Prozent Verzugszinsen im Jahr, das Finanzamt nur einen einmaligen Zuschlag von zwei Prozent. "Eigentlich sind das Wucherzinsen" , sagt Höfle. Er und andere Wirtschaftsprüfer fordern schon lange eine Angleichung der Sanktionen im ASVG an das Steuerrecht. (Eric Frey, DER STANDARD, 13.10.2014)