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Die Fidesz-Partei von Viktor Orbán wird bei den Kommunalwahlen voraussichtlich leichte Verluste hinnehmen müssen. An der Vorherrschaft wird das allerdings nichts ändern.

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derStandard.at: Herr László, welche Bedeutung kommt den ungarischen Gemeinde- und Regionalwahlen an diesem Sonntag überhaupt zu? Steht die rechtspopulistische Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) nicht ohnehin schon als Sieger fest?

László: So ist es. Die Regierungspartei kann mit einem deutlichen Sieg rechnen, allerdings nicht in dem Umfang wie bei den Gemeinde- und Regionalwahlen 2010. Damals war die Opposition völlig am Boden. Diesmal wird sie sich einige Städte und Budapester Stadtbezirke zurückholen. Fidesz wird da ein paar Einbußen hinnehmen müssen, aber es werden keine Verluste sein, die die Regierungsmacht in irgendeiner Weise erschüttern werden. Bei der Opposition werden wiederum nach dem Urnengang die bestehenden Gegensätze aufbrechen und sich in Konflikten entladen.

derStandard.at: Was für Gegensätze sind das? Wo kommen sie her?

László: Bis 2010 gab es auf der Linken eine einzige dominierende Kraft, die MSZP (Ungarische Sozialistische Partei). In den vier Jahren seit der damaligen katastrophalen Wahlniederlage ist es ihrem Vorsitzenden Attila Mesterházy – der nach der diesjährigen Parlamentswahl zurücktrat – nicht gelungen, die Partei wieder aufzurichten. Ferenc Gyurcsány (von 2004 bis 2009 umstrittener Ministerpräsident, Anm.) trat aus der MSZP aus und gründete seine DK (Demokratische Koalition), die vor allem Leute aus der MSZP mitnahm und von MSZP-Stimmen lebt, aber nicht – wie sie es vielleicht erwartet hatte – zur neuen dominierenden Kraft des linken Lagers aufzusteigen vermochte. Es gibt also Rivalitäten und Gegensätze zwischen MSZP und DK. Aber auch der Gruppierung "Gemeinsam 2014" von Gordon Bajnai gelang es nicht, zu einer relevanten Kraft heranzuwachsen. Bajnai zog sich schließlich auch zurück. "Gemeinsam 2014" verband sich mit der Bewegung "Dialog für Ungarn" (PM), die sich aus der bei Wahlen stets getrennt von der Linken antretenden Grün-Partei "Politik kann anders sein" (LMP) abgespalten hatte. Aber auch in diesem nicht besonders starken Parteienbund sind jetzt die Gegensätze aufgebrochen, die sich nach dieser Wahl noch verschärfen werden.

derStandard.at: In einer jüngsten Analyse rechnen Sie auch mit einem gewissen Erstarken der rechtsextremen Jobbik.

László: Ja. 2010 eroberte die Jobbik drei Gemeinden. Bei Nachwahlen und durch Beitritte zuvor als parteilos angetretener Bürgermeister konnte sie die Zahl der von ihr kontrollierten Gemeinden innerhalb der letzten Legislaturperiode sogar auf zwölf steigern. Nach dieser Wahl könnte die Jobbik 20 bis 30 Bürgermeister stellen, zumeist aber nur in kleinen oder sehr kleinen Gemeinden. Eventuell kann sie ein oder zwei Städte mittlerer Größe erobern. Offen ist allerdings das Rennen in der Industriestadt Miskolc, da haben die drei Parteienblöcke – Fidesz, Jobbik und die linke Opposition – nahezu gleiche Chancen auf einen Sieg.

derStandard.at: In Budapest, wo die demokratische Opposition noch am ehesten Siegesschancen hätte, gelang es nicht, rechtzeitig einen attraktiven gemeinsamen Kandidaten für den Oberbürgermeister-Posten aufzustellen. Woran lag das?

László: Die Opposition war offenbar dermaßen mit den Parlamentswahlen im April beschäftigt, dass sie sich bis dahin der Oberbürgermeister-Frage gar nicht zugewendet hatte. Danach war es dann schlicht zu spät. Man kann nicht in ein, zwei Monaten einen Politiker für eine derartige Kandidatur aufbauen. Das war ein schwerer strategischer Fehler. Die MSZP hatte zwar schon seit langer Zeit in der Person des Kommunalpolitikers Csaba Horváth einen eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten, doch akzeptierte ihn weder die DK noch "Gemeinsam 2014-PM", sodass ihn die MSZP wieder zurückzog.

derStandard.at: Womit kann man nach dem dritten Wahlsieg der Orbán-Partei in diesem Jahr – Parlament, Europaparlament, Kommunen – rechnen?

László: Orbán und seine Leute werden die Konflikte deutlich verschärfen. Der "Freiheitskampf gegen Brüssel", die Rhetorik gegen die europäischen und globalen Institutionen, wird wieder zugespitzt. Die Kollisionen mit der EU, mit den Banken, mit Investoren, werden sich intensivieren. (Gregor Mayer, derStandard.at, 11.10.2014)